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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebiiches

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gangnen Jahre in Sachsen, Preußen und Elsaß-Lothringen weitere Fortschritte; im Königreich Sachsen schlössen sich 151 Gemeinden zu einem Gemeindegiroverband zusammen, und der Zentralverband des deutscheu Bank- und Bankiergewerbes schlug die Errichtung eines Reichsclearings für gauz Deutschland unter Leitung der Reichsbank vor. Die Vorteile dieser Bewegung sind in den Grenzboten hin­reichend betont worden, doch darf man auch die Nachteile eines zu ausgedehnten Scheckverkehrs nicht übersehen. Professor Schuhmacher in Bonn hat bei einer Besprechung der amerikanischen Geldkrisis auf die Nachteile des starren amerika­nischen Schecksystems gegenüber dem elastischen deutschen Notensystem hingewiesen. Hier liegt in der Tat die Grenze, über die hinaus die bargeldersparenden Zahluugsmethoden mehr Schaden als Nutzen stiften würden, wenn nicht in irgend­einer Weise Vorsorge getroffen wird, daß die Barreserven des Landes jederzeit, auch in Krisenzeiten, groß genug sind und die Stellung der Zentralbank nicht ge­schwächt wird.

Als die Reichsbank vor etwa drei Jahren begann, durch Erhöhung der Mindestguthaben im Giroverkehr ihre Position zu stärken, konnten die Banken zur Abwehr bereits darauf hinweisen, daß sie sich auf der Grundlage ihres immer wehr wachsenden Filialnetzes ihren eignen Giroverkehr schaffen würden. Eine doppelte Gefahr drohte also: auf der einen Seite die Verminderung der Bar­referve überhaupt, auf der andern eine direkte Schädigung der Zentralnotenbank durch Beeinträchtigung eines ihrer wichtigsten Geschäftszweige.

Wenn nun die Regelung der Depositenfrage im Herbst 1908 auf einige Monate verschoben worden ist, so geschah das wohl, weil man Zeit gewinnen wollte, um die so eminent wichtige Frage nach allen Seiten hin zu erwägen. Eine übereilte falsche Lösung der Frage könnte dem gesamten Wirtschaftsleben den größten Schaden zufügen. Die Erfahrungen mit dem Börsengesetz mahnen zur Vorsicht. Wir dürfen nie vergessen, was die Banken dank der freien Verwendung der ihnen anvertrauten Gelder in den letzten Jahrzehnten für die deutsche Volkswirtschaft ge­leistet haben.

Fragen wir jedoch: Erscheint es im öffentlichen Interesse geboten, für die Sicherheit und Liquidität der Anlage von Depositen uud Spargeldern auf dem Wege der Gesetzgebung Sorge zu tragen? so ergibt sich schon aus dem vorstehenden eine bejahende Antwort, deren Berechtigung noch weiter erwiesen wird, wenn man sich die Natur der sogenannten Depositen klarmacht.

In Bankkreisen wird ein Bedürfnis für die Sichrung der Bankdepositen be­stritten, weil sie keine Spargroschen kleiner Leute seien. Demgegenüber möchten nur behaupten, daß dennoch ein nicht unbedeutender Teil aus Spareinlagen besteht, die angelockt wurden teils durch irreführende Firmenbezeichnungen, teils durch die imponierende Höhe der eignen Mittel der Banken. Die an den Depositenkassen in großen Lettern angebrachte Reklamehundert Millionen Mark Aktienkapital, fünfzig Millionen Reserven" oder ähnlich wirkt absolut sicher gerade auf die untern Kreise der Bevölkerung zumal in Zeiten hoher Depositenzinsen.

Der größte Teil der Bankdepositen besteht aber aus Betriebsmitteln der Kauf­leute und den infolge der Propaganda für Ausbreitung des Scheckverkehrs einge­zahlten Guthaben aller Gesellschaftskreise, die von Tag zu Tag, von Woche zu Woche zur Bestreitung der täglichen Ausgaben abgehoben werden. Gerade dieser Teil der Bankdepositen, der die Betriebsreserve der deutschen Wirtschaft darstellt, muß dauernd liquide erhalten werden. Als liquide Deckung können nun Wohl die Wechselbestände der Banken angesehen werden, aber die Anlage der Depositen in leicht realisierbaren Werten allein genügt noch nicht. Als wichtige Ergänzung muß sür Krisenzeiten jederzeit eine ausreichende Barreserve vorhanden sein. Man braucht nicht erst auf die Bankkonkurse des Jahres 1908 zu verweisen oder auf die Miß­stände im deutschen Bankwesen, die Lansburgh durch seine verdienstvolle Statistik