Wilhelm von polenz
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und der Wissenschaften selbst reden. Nur möge man diese Objektivität nicht für Gleichgiltigkeit halten. „Wir umfassen alle Menschen, die guten Willens sind, mit derselben Liebe. Keine Schule, auch keine Kirche kann sich hienieden des Besitzes der absoluten Wahrheit rühmen. In den Schriften, die wir anführen, in den Worten, die wir nachsprechen werden, kommt vieles vor, was uns tief ergriffen hat; aber von dieser persönlichen Empfindung verraten wir nichts, damit sich die dieser unparteiischen Darstellung zugrundeliegende Idee dem Leser von selbst aufdränge." Er beginnt mit der Lyrik, zitiert eine Charakteristik der katholischen Gemütsverfassung, die Hanotaux entworfen hat, und bemerkt dazu: „Wer sollte es glauben, daß soviel latente Poesie nur sehr selten einen Interpreten von wirklicher literarischer Bedeutung gefunden hat, und daß in dem so lyrischen neunzehnten Jahrhundert katholische Dichter seltne Ausnahmen sind?" Das ist wohl eigentlich nicht verwunderlich; zur Schaffung poetischer Kunstwerke gehört eben doch außer einem Schatz poetischer Ideen und der poetischen Stimmung auch ein gewisser Grad ausgebildeter Intelligenz, und die Intelligenz war aus der Kirche ausgewandert, von der Kirche selbst zur Auswandrung gezwungen worden. Bedeutenderes als die katholischen Dichter, Denker und Gelehrten haben die katholischen Polemiker geleistet, deren Leistungen allerdings nicht gerade erfreulich sind. Von Louis Veuillot. dessen Ehrlichkeit, Tüchtigkeit und großes Talent anerkannt werden, erhalten wir ein interessantes Charakterbild. Den Bischöfen, die er tyrannisierte, war dieser publizistische Diktator sehr unbequem; der Bischof Perraud von Autun äußerte einmal, wenn er eine Million besäße, so würde er sie dazu verwenden, Veuillots Organ, den Univers, zugrundezurichten.
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Wilhelm von polenz
von Heinrich Spiero
ilhelm von Polenz wurde am 14. Januar 1861 auf Schloß Ober- cunewalde in der sächsischen Oberlausitz geboren und ist dort am 13. November 1903 gestorben. Wenn jetzt, fünf Jahre nach seinem zu frühen Tode, seine gesammelten Werke in einer wohlfeilen Ausgabe (zehn Bände, bei F. Fontane u. Co., Berlin) ^scheinen, so handelt es sich dabei — man darf mit einiger Bitterkeit vielleicht sagen: ausnahmsweise — nicht darum, einem Verkannten oder doch nicht genug Geliebten und Geschätzten endlich die verdiente Ehre anzutun, sondern diese Ausgabe soll nur der allgemeinen und berechtigten Liebe, die Wilhelm von Polenz genießt, gerecht werden, soll seinen Verehrern die Möglichkeit bieten, seine Werke handlich und unzerstreut beieinander zu haben und sie so denen weiterzugeben, die ihn noch nicht genügend kennen. Gewiß ist Wilhelm von