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Amerika und die Dauerhaftigkeit seine politischen Verhältnisse. 2
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Amerika und die Dauerhaftigkeit seiner politischen Verhältnisse

wo sie die europäische Industrie mit Zolltarifen fernhalten werden. Leute, die Eroberungen nur mit ihrem Geldbeutel durchzufechten haben, stehn anders da als solche, die mit ihrem Blut, ihrer Ehre, mit der Existenz ihres Vater­landes dafür einstehn müsseu.

Unter diesen allgemeinen Verhältnissen ist^der üble Zustand vieler kleinerer amerikanischer Staaten eine Gefahr. Schon im Eingang haben wir die all­gemeinen Verhältnisse berührt. Sehen wir uns in einigen Staaten die Dinge näher an. Die bestgeordnete Republik im spanischen Amerika ist zurzeit der nächste Nachbar der Vereinigten Staaten, Mexiko. Auch ihm haben Bürger­kriege und Mißwirtschaft nicht gefehlt. Seit 1877 steht ein Mann an der Spitze des Staats, der wohl die beste Verkörperung der kreolischen Militär­diktatur genannt werden kann: Porfirio Diaz. Er hat das Land mit eiserner Faust regiert, aber Ruhe und Ordnung, Leben und Eigentum gesichert und große wirtschaftliche Fortschritte durchgeführt, was um so mehr ins Gewicht fällt, als sein Regiment die Zeit der Entwertung des Silbers umfaßt. Mexiko ist der größte Silberproduzent der Erde. Ob aber die jetzige Ordnung das Leben des Mannes überdauern wird, das ist sehr fraglich, denn die wilden Gewalten des Umsturzes sind nur gezähmt, nicht vernichtet. Inzwischen sind vom Norden her viele Jankees eingewandert, und die Summen der in Mexiko investierten, nach den Vereinigten Staaten gehörenden Kapitalien soll 600 bis 1000 Millionen Dollars betragen. Kommt es zn Revolution und Bürger­krieg, so wird es immer eine Partei geben, die sich nach Washington um Hilfe wendet. An Gründen zur Einmischung wird es nicht fehlen.

Zu solchem Auftreten in Cuba hat sich die große Republik sogar das Recht erworben. In Santo Domingo nehmen die Dinge einen sehr Übeln Verlauf. Die Bevölkerung der dominikanischen Republik ist freilich mit ihrer Zwillingsschwcster, der haitischen, nicht zu vergleichen. Sie wird verschieden angegeben, auf 500000 bis 610000, erreicht also eine Dichtigkeit von nur 10,3 bis 12,5. Darunter ist der dritte Teil noch als reines Negerblut an­zusprechen, der Rest, bis auf wenige Kaukasier, als kreolisch-mulattisch. Mit den Negiernngsverhältnissen liegt es wie gewöhnlich im spanischen Amerika. Die Finanzwirtschaft wurde zuletzt so arg, daß die Vereinigten Staaten die Ver­waltung der Zölle und Steuern und die Verzinsung der rund 125 Millionen Mark betragenden Schulden in die Hand nehmen mußten. Weitere Einmischung haben sie standhaft abgewiesen. Haiti ist gerade in der jüngsten Zeit wieder der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit gewesen, da die Mißwirtschaft und die ganz schnöde Gewalttat hier ihren höchsten Grad erreichten. Die Franzosen, die hier einst Herren waren, haben wenig von ihrem Blut hier zurückgelassen- Auch das Jndianerblut ist in dem afrikanischen ziemlich untergegangen. Eine Volkszählung von 1904 gibt die Bevölkerung auf 1425000 an, also eine Dichtigkeit von etwa 50 Köpfen auf den Quadratkilometer. Die unglaubliche Genügsamkeit der sorgenlosen, trügen Einwohner erklärt die große Dichtigkeit.