406
Schulfragen
so organisiert, hat aber wieder in andern Fächern so hohe Ziele, daß auch hier von einer Überbürdung gesprochen werden kann. Wem dieser Gedanke der Beschränkung auf zwei fremde Sprachen unfaßbar scheint, der möge das schöne lateinische Wort multuw, v.on inultg,, beherzigen, das in der modernen Pädagogik viel gebraucht aber nicht in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Teilung der Arbeit ist hier das richtige. Es wird für Lehrer und Schüler eine Wohltat sein, wenn sie sich auf zwei fremde Sprachen beschränken und in diesen dann auch Tüchtiges leisten können. Gut begabten Schülern soll und darf nicht verwehrt werden, sich mehr fremde Sprachen anzueignen. Mit der Beschränkung auf zwei fremde Sprachen ließe sich dann leicht eine Hinausschiebung des Beginnes des ersten fremdsprachigen Unterrichts um mindestens ein Jahr verbinden, die für Lehrer und Schüler gleich segensreich wäre und in einigen deutschen Bundesstaaten schon besteht.
Für die Oberstufe endlich muß ein freierer Betrieb des Unterrichts eingeführt werden, einmal um die ältern Schüler bei dem Eintritt in das Alter der Mannbarkeit zu entlasten und dann, um ihnen die Möglichkeit zu einer freiern Entwicklung, besonders zur Pflege ihrer Lieblingsfächer zu geben. Lust und Liebe sind die Fittiche zu großen Taten. Gewiß schadet niemand, besonders auch nicht einem jungen Mann, ein heilsamer Zwang; aber den Jüngling zu zwingen, gerade auf die Fächer, für die er keine Begabung hat, und die er deshalb nicht liebt, die meiste Zeit zu verwenden, das erscheint unpraktisch und grausam. Die Einrichtung selbst ist nicht schwer: bestimmte Fächer wie Religion^ Deutsch und Geschichte müssen in ihrem vollen Umfang für alle Schüler verbindlich bleiben, die übrigen Fächer müßten in zwei Gruppen geteilt werden, in eine sprachliche und eine mathematisch-naturwissenschaftliche, zwischen denen die Schüler wählen könnten. An der Gruppe ihrer Wahl nehmen sie dann mit einer erhöhten Stundenzahl teil, in den andern Fächern wird für sie die Stundenzahl und das Ziel niedriger gesteckt; die Mehrleistung in den Wahlfächern gleicht die Minderleistung in den andern Fächern aus. Allen Einwendungen gegenüber mag der wohl von niemand bezweifelte Satz hingestellt werden: „Er- zwungne und mit Unlust geleistete Arbeit ist für die Bildung wertlos, und alles kommt darauf an, daß man mit Freudigkeit und mit ganzer Seele arbeite." Wir kommen auf diese Weise zu einem der Unterweisung auf den Hochschulen ähnlichen Unterricht, gewiß nicht zum Schaden unsrer Jugend. Übrigens haben ähnliche Einrichtungen früher auf dem Carolineum in Braunschweig und auf dem Johanneum in Hamburg bestanden, und die Männer, die unter tüchtigen Lehrern an dieser Art des Unterrichts teilnehmen durften, sprechen noch heute mit wahrer Begeisterung davon. Ins Wasser wurden sie geworfen, damit sie das Schwimmen lernten; es war die richtige Vorbereitung für das Universitüts- studium, eine Erziehung zu ernster wissenschaftlicher Arbeit und zu früher Selbständigkeit und geistiger Unabhängigkeit, während heute in den obern Klassen vielfach der bloße Drill zur Abiturientenprüfung herrscht. Der Geheime Oberregierungsrat Matthias im preußischen Kultusministerium, einer der unbefangensten, weitschauendsten und tüchtigsten Schulmänner der Gegenwart, glaubt,, daß auch schon heute, bei der bestehenden Lehrordnung ein so freier Betrieb