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Herrenmenschen
Von Kuchen, die für eine Armee berechnet zu sein schienen, verschwunden waren, und bis der kleine Benno an der Grenze der Möglichkeit angekommen war und nur noch stöhnte. Dann wurden am Strande Spiele gespielt, und dann zerstreute sich die junge Gesellschaft und machte den ganzen weitern Umkreis unsicher.
Währenddessen war Herr von Bodenpois in das Künstlerhaus eingetreten, hatte seine Merkwürdigkeiten bewundert, war mit Staffelsteiger ins Gespräch gekommen und hatte sich von ihm seine Entwürfe und Bilder zeigen lassen. Herr von Bodenpois war als gebildeter und selbständiger Russe modernen Ideen zugänglich. Er war auch für moderne Kunst begeistert. Nun entging ihm ja nicht, daß dieser Herr Staffelsteiger etwas gar zu modern war, und daß seine Bilder noch sehr der Klärung und Ausreifung bedurften, aber er bemerkte doch, daß in ihnen künstlerische Qualität zu liegen schien. Und so brachte er Staffelsteiger den Gedanken nahe, diese Einsamkeit in einem Winkel Litauens zu verlassen, eine Kunstzentrale, Berlin oder noch besser München aufzusuchen und sich dort an den Werken moderner Meister weiterzubilden. Als er aber an den verlegnen Antworten Staffelsteigers erkannte, woran es diesen« Künstler fehlte, riß er ein Blatt aus seinem Scheckbuche, beschrieb es und kaufte dem Maler einige seiner Werke für einen ansehnlichen Preis ab.
Da stand nun Staffelsteiger mit rotem Gesicht und gesträubtem Haar, seinen Scheck, von dem er freilich nicht recht wußte, was er bedeute, in der Hand, in dem stolzen Gefühl, endlich auch in seinem Werte erkannt und gewürdigt zu sein, und erwog den Plan, diese unwürdige Umgebung so bald wie möglich zu verlassen, der Natur definitiv den Rücken zu kehren und in die höhern Kreise denkender Künstler einzutreten.
Alfred, sagte Frau Mary, die Zeugin des Vorgangs gewesen war, willst du denn diese — Bilder aufhängen?
Bewahre, Schatz, entgegnete Herr von Bodenpois, für Kunstwerke dieser Art habe ich Platz auf meinem Boden.
Mary sah ihren Verlobten mit freudigen Augen an. Sie verstand, wie der Kauf der Bilder gemeint war.
Herr von Kügelchen hatte Gesellschaftsanzug angelegt und seine relativ besten Handschuhe angezogen. Er hatte sich niedlich bei der kleinen Gesellschaft gemacht, aber über dem Kuchen und der Limonade nur vorübergehende Beachtung gefunden. Nun trat er in das Künstlerhaus ein. Dort stellte er sich wie in einem Museum vor alle Wände, studierte, was da auf den Borten stand und an den Wänden hing, und fand es äuferst — in der Tat äuferst — ja ganz ungemein —. Und dann fiel er Staffelsteiger in die Hände, der an diesem größten Tage seines Lebens, an dem er soviel Bilder auf einmal verkauft hatte, und an dem sich ihm die Pforte des Ruhms zu öffnen schien, jemand haben mußte, dem er seine künstlerischen Ideen auseinandersetzen konnte. Ach, er hatte die niederdrückende Ahnung, daß er damit bei Schwechting und Pogge nicht zu seinem Rechte kommen werde. Aber Herr von Kügelchen war brauchbar. Er hatte Verständnis für den Scheck, er hatte auch Verständnis für Bilder, die mit einer so hohen Summe bezahlt wurden. Staffelsteiger mußte seine Bilder der Reihe nach aufstellen und erläutern, und Herr von Kügelchen fand sie — äuferst, nein wirklich ganz ungemein — eh, und verriet, daß er auch Künstlerblut in seinen Adern habe, daß er früher auch gemalt, aber sich leider diesen Rettungsanker bodenlos verscherzt habe.
Pogge schenkte unermüdlich Bowle ein und nahm die Lobsprüche über die Bowle, die er übrigens gar nicht gemacht hatte, mit gebührendem Selbstbewußtsein entgegen und sagte: Pardon, meine Herrschaften, bei Kleinigkeiten immer nobel. Und Schwechting improvisierte mit Hilfe von Tantchen ein kleines Abendessen, denn die Gäste äußerten kein Verlangen, sich zu empfehlen. Und so blieb man bis spät Abends beieinander, und beim Nachhausegehn hängte sich Eva an den Arm des Doktors und sagte: Heinz, so froh bin ich mein Lebtag noch nicht gewesen. —