Der Geigenbau
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zum Schluß eine ganze Kiste Eau de Cologne ansgetrunken hätte, um noch berauschter zu werden. „Die Liebe und der Suff, die reiben den Menschen uff" — so kann man in Rußland mit Recht sagen.
(Schluß folgt)
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Der Geigenbau
> er je einmal Gelegenheit gehabt hat, eine der alten berühmten italienischen Violinen näher kennen zu lernen, besonders sie mit einer andern Geige zu vergleichen, der kcmu den tiefen Eindruck, den diese wunderbaren Werke auf jedes musikfühlende Herz machen, I nie vergessen: diesen milden, runden und doch durchdringenden Ton, der in gleicher Fülle und Lieblichkeit im zartesten Piano wie im For- tissimo den Saiten entströmt, diese Modulationsfühigkeit, die dem Künstler erlaubt, alles auszudrücken, was das Herz eines Menschen bewegen kann, von der schmerzlichsten Klage bis zur jauchzenden Lust, von der Innigkeit der Liebe bis zum wilden Zorne. Dann begreift man, daß es der höchste Wunsch des Geigers ist, ein solches Instrument zu besitzen, und man versteht, daß die besten dieser Violinen mit fabelhaften Preisen bezahlt werden. Auf der andern Seite versteht man aber auch, daß sich ganze Generationen von Geigenbauern abgemüht haben, das Geheimnis der alten Crcmonescr Meister wiederzufinden und den eignen Produkten dieselbe Vollendung zu geben wie jene. Was ist dabei nicht alles versucht worden! Nicht mir in sklavischer Nachahmung der alten Modelle hat man das Heil gesucht, man hat auch ans ganz neuen Wegen dem ersehnten Ziele nahekommen wollen, man hat Geigen aus Kupfer, Stahl, Silber, sogar Schildpatt gebaut, man hat neue Holzarten angewandt, die Form der Violine verüudert, ihr manchmal ganz abenteuerliche Gestalten gegeben: es war alles Verlorne Arbeit.
Man hat dabei häufig sehr schön klingende Instrumente erzeugt, nur das, was man suchte, fand man nicht: es waren keine Geigen mehr. Das, was gerade diesem Instrument seinen eigentümlichen Charakter gibt, war nicht auf anderm Wege zu erreichen, und alle neuen Erfindungen konnten kein Recht auf den Namen Geige erwerben und hatten damit auch keine eigentliche Existenzberechtigung.
Auch theoretisch kam man nicht zum Ziele; die gründlichen wissenschaftlichen Untersuchungen, die einzelne Gelehrte, besonders der französische Akustiker Savart, vornahmen, führten zu einer ganzen Reihe neuer interessanter Entdeckungen, dem praktischen Geigenbauer aber halfen sie nicht einen Schritt vorwärts in dem Dunkel, das ihn umgab.
So steht man vor der merkwürdigen Tatsache, daß die Geige schon vor hundertundfünfzig bis zweihundert Jahren ihre höchste Vollendung erreicht hat, und daß es trotz den ungeheuern Fortschritten der Technik und der Natnrwissen-
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