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Bartholomäns Sastrow
daß er täglich mit seinem Verwandten Jörgen Smiterlow „als Kinder pflegen" gespielt habe, so kommt man zu dem Ergebnis, Bartholomäns habe die Jahre, die man gewöhnlich als die Flegeljahre bezeichnet, nicht in Greifswald, sondern in Strälsund verbracht. Es ist möglich, daß der Großvater ihn nach dem Eintritt dieser Zeit entlassen und den Penaten des Elternhauses zugesandt hat, sonst müßte man annehmen, Bartholomäns sei zweimal nach dem Wegzug seiner Eltern in Greisswald gewesen, zuerst als unschuldiger Bachant, dann als mutwilliger und leichtsinniger Student. Auf jeden Fall ist die Berichterstattung ungenau oder durch Irrtum getrübt. Glücklicherweise ist die Sache von keinem Belang; aber es zeigt sich auch hier die oft gemachte Wahrnehmung, daß es mit der Zuverlässigkeit von Lebenserinnerungen, zumal wenn es sich um Nebendinge handelt, eine eigne Sache ist.
In Sastrows Jugendzeit fallen die Wirren, die die Einführung der Reformation in Strälsund begleiteten, und audre politische Ereignisse von Bedeutung. Freilich die Anfänge davon hat unser Autor nicht mit Bewußtsein erlebt, er hat sie sich später erzählen lassen und gelesen, was darüber aufgezeichnet war; in seiner Biographie teilt er alles mehr oder minder ausführlich mit. Die Bürgerschaft hatte im Jahre 1522 den Rat gezwungen, einen Rezeß anzunehmen, wonach einem Ausschuß von 48 Personen eine weitgehende Teilnahme an der Verwaltung der städtischen Angelegenheiten eingeräumt wurde. Im nächsten Jahre folgte der Bildersturm in der Nikolaikirche, worauf denn nach dem Sturze des alten Rates die Reformation ohne Widerstand eingeführt wurde. Die Klöster wurden aufgehoben, der ehemalige Mönch Carsten Ketel- hudt zum xg-stor xriing.riu8 erwählt, dem ebenso tüchtigen und gescheiten als versöhnlichen Johann Knipstro das Amt des Superintendenten anvertraut.
Das alles weiß Sastrow, wie gesagt, nur durch Hörensagen oder Lektüre. Dagegen hat er mit Bewußtsein die Händel erlebt, in die seine Vaterstadt infolge der kühnen und weitgreifenden Politik des Lübeckers Wullenweber geriet, wenn er sich damals auch nicht viel um solche Dinge gekümmert haben wird. Er war vierzehn Jahre alt, als die Gesandten der wendischen Städte in Hamburg berieten, welche Stellung man Wullenwebers Plänen gegenüber einnehmen wollte. Sastrows Oheim, der Bürgermeister Smiterlow, widerriet auf das dringendste den Krieg, der nach dem Tode des Dänenkönigs Friedrich des Ersten gegen dessen Nachfolger, den Herzog Christian von Holstein, unternommen werden sollte, und sagte mit drastischen Worten schon damals das Ende Wullenwebers voraus. Allein die aufsässige Bürgerschaft zum Sunde, die noch dazu durch Abgesandte der Lübecker bearbeitet wurde, war andrer Meinung als der Bürgermeister. Auf dem Markte tobte die Menge und schrie: „Werft Claus Friedemacher — so wurde Smiterlow damals spottweise genannt — herab, wir wollen uns mit den Stücken werfen." Kurz, der Teufel ging, wie Sastrow sich ausdrückt, auf Stelzen. Smiterlow wurde seines Amtes entsetzt und wie auch Sastrows Vater lange Zeit in seinem Hause versteckt gehalten. Die Kriegsflotte wurde mit Geschütz und Mannschaft gerüstet und ging nach Lübeck zu in See. So hatte Herr Omnes seinen Willen durchgesetzt. Aber es kam anders als die siegesgewisfen Tumultucmten erwartet