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Frau potiphar
fragte die Burschen und Mngde, die cmsgescigt hatten, nach wie, wo und wann, trieb sie in die Enge und in Widersprüche unter einander nnd mit sich. Dadurch zog sich der Prozeß ziemlich in die Länge nnd verlor für die Unbeteiligten an Interesse. Bald verdrängten ihn neue wichtigere Dinge fast gänzlich aus dem Gesichtskreis der Öffentlichkeit.
Der Winter des Jahres 1857 war ein schwerer für die armen Lentc des Erzgebirges. Am politischen Himmel schienen sich Kriegsanzeichen zu melden, die amerikanischen und französischen Bestellungen blieben aus, alle Geschäfte gingen schlecht, die Strumpfwirker nnd die Spielwarendrcher wurden auf halben Lohn gesetzt und allmählich gar brotlos. Dazn war die Ernte schlecht gewesen, das Brot wurde teurer, an den wichtigen Kartoffeln war Mangel. Es kam zu einer kleinen Hungersnot, in den bevölkertem Orten wurden Snppenanstalten errichtet, in den Häusern der verschämten Armen und in den entlegnen Dörfern fand man oft ein Mittagsmahl, das aus gebratuen Kartoffelschalen bestand.
In solchen harten Zeiten wird überall in Grenzgebirgen stärker gewildert und geschmuggelt. So geschah es auch diesmal im Flöha- nnd Natzschungthal. Insbesondre erreichte das Schmngglergewerbe wieder eine Ausdehnung und eine Keckheit, wie es die Zollgelehrten seit den Jahren der Kontinentalsperre nicht erlebt hatten. Damals hatten die Pascher den Grenzjägern bei Hellem lichten Tage auf dem Nothenthaler Marktplatz förmliche, zuweilen siegreiche Treffen geliefert. Kam es jetzt mich nicht so weit, so scheuten sich doch die Schmuggler nicht, den Ort truppweise zu betreten. Zu jeder Stunde konnte man die breiten, starken Gestalten mit den halb verhüllten Gesichtern, in lauge, zerlumpte Sackröcke gekleidet, in den Händen wahre Herkuleskeulen tragend, die böhmische Straße hcreinzieh» sehen. Hören kaum, denn ihr Schnhwerk war dick mit Wolle nnd Strümpfen umwickelt. Die Zollwachen wurden verstärkt und entwickelten eine fieberhafte aber fruchtlose Thätigkeit. Nach wochenlangem Lanern nnd Patrouillieren war lein Zweifel mehr darüber, daß von Rothenthal her nichts nach Böhmen eingeführt wnrde. Die Schmuggler hatte» das Haus des Mnterialienhändlers Goldammer zwar täglich betreten, aber nur die Destillation; Zucker und Kaffee war nachweislich nicht gekauft worden. Den Zollbehörden wurde es klar, daß der Aufmarsch der ,, Schmuggler in Rothenthal nur eine Finte war, bestimmt, abzulenken und zu ver
decken. Das eigentliche Geschäft wnrde mit Spitzen gemacht, die von Österreich ^ weiter hinunter nach dem Orten', gingen, nnd die Stelle, au der sie von Sachsen 5 nach Böhmen übergeführt wurden, mußte im Natzschuugthale, in der Nähe von Gabrielshütten liegen. Aus den Waldwegen, die von dorther nach Eisenberg, nach Nvthenhaus nnd nach Görkau führten, tanchten in den Morgenstunden der Kommv- tauer Markttage die der österreichischen Finanzwache bekannten Schwärzer auf. Man hielt sie nicht an, sondern traf Vorkehrungen zn einem Hanptschlag, der die ganze / ' Bande samt Helfershelfern und Abnehmern dingfest machen mnßte. Die Pfadspuren auf der böhmischen Seite, von den drei genannten Stellen aus znrückversolgt, liefen alle auf eine kleine Waldwiese aus, auf der eine Bretterhütte stand, die am Anfang des Winters zur Wildfütternng gedient hatte und jetzt leer war. Es war wichtig, daß sich dort kein Zollwächter sehen ließ, aber ein Forstmann, der unauffällig an der Bude vorbeiging, sah mit einem Blick, daß da nenerdings Menschen aus und ein gegangen waren. In aller Stille wurde nun ein Kesseltreiben vorbereitet, österreichisches Militär aus Kommotan, sächsisches aus Marienberg herangezogen, iu unscheinbare Zivilanzüge gesteckt, statt der laugen Flinten mit leicht verberglichen Revolvern versehen, in die Schenken und auf die Straßeu zerstreut und in der ersten stockfinstern Nacht auf dicken Strohschnhen in vier Kolonnen au die Waldwiese herangeführt. Nnd siehe da: die lange Rnhe hatte die Schmuggler dermaßen in Sicherheit gewiegt,
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