Beitrag 
Frau Potiphar : eine wahre Geschichte
Seite
234
Einzelbild herunterladen
 

234

Frau Potiphar

gcibe und auch wegen ihrer Schönheit eine Berühmtheit in der Gegend. Von den zahlreichen jungen Männern, die sich mit Heiratsabsichten näherten, fand keiner Gnade; sie waren ihr alle zu dumm. Bald galt sie als stolz und hochfahrend, nnd man sagte ihr nach, daß sie nach einem der böhmischen Barone und Grafen trachte, die ab und zu im Sensenhammer vorsprachen. Groß war daher die Verwuudrung, als eines Tags Jettchen dem schlichtesten und einfachsten aller Naschlitzer Heirats­kandidaten, dem jungen Leuner, das Jawort gegeben hatte. Der alte Lenner war in des Lebens Blütezeit Salzführmcmu gewesen. Die böse Welt behauptete, daß er im Salz versteckt und ans eigne Gefahr von Gieb Ich enstein und Dnrrenberg regel­mäßig wertvollere Waren mit nach Böhmen gebracht habe. Jedenfalls war er zn ansehnlichem Vermögen gelangt nnd hatte damit die Lochmühle im Natzfchunggrnnd erworben und ihren Betrieb wesentlich erweitert. Die gute Wasserkraft auszunützen wurden drei Sägemühleu augelegt, sie mit Holz zu versehen einige Bauernwälder gekauft, tagaus tagein waren Leunersche Geschirre unterwegs, die die geschnittnen Bretter auf der Freiberger und der Chemnitzer Straße den großen Städten nnd den Lagerplätzen zuführten, die ebenfalls Lenners Eigentum waren. Kurz: der alte Leuuer war für Naschlitz und Umgegend ein Krösus uud fühlte sich als solcher. Darum war ihm die Wahl, die sein Sohn, das einzige Kind, getroffen, nicht recht. Die Fritzsch Zettel hatte nichts, wie er sich ausdrückte, und war in seinen Augen ein Bettelkind; er warf einen großen Haß auf sie, übergab Mühle und sämtlichen Besitz dem Sohn und zog noch vor der Hochzeit hinauf ins Dorf, wo er, im Gegensatz zn seinem früher oft wüsten Treiben, eine Art Einsiedlerleben begann. Der junge Leuner war nach der früh verstorbnen Mntter geraten. Nuhig, sanft, anspruchslos und wortkarg konnte er einfältig erscheinen; nur die treuherzigen Augen ließen etwas von der iuuern Tüchtigkeit merken, die er den großen Geschäftsauf­gaben entgegenbrachte, die plötzlich auf ihn gefallen waren. Seine junge Fran ging ihm dabei mit neuen Ideen zur Hand. Ihr verdankte das Brot der Lochmühle den Ruf uud die Exportfähigkeit, sie hatte darauf gedrungen, daß böhmisches Korn dazu verwandt wurde. Mit zwei großen vierspännige» Wagen wurde es zweimal wöchentlich vom Kommotauer Markt herangeholt. Leuuer besorgte deu Eiukauf persönlich, nnd die Frau führ gern, war sie zn Hause abkömmlich, mit. Ein Töch­terchen befestigte das Glück der Ehe, alles ging gnt und erfreulich auf der Loch­mühle. Auch der Verkehr in dem abgelegnen Hause ward reger. Namentlich Forst­beamte, die in den kolossalen Wäldern, in deren Mitte die Mühle lag, beschäftigt waren, sprachen zahlreicher nnd häufiger ein, die einen von der guten Bewirtung, die andern von dem interessanten Wesen der Frau Lenner angezogen. Sogar der Oberforstmeister gehörte bald zn den Hansfreunden. Er führte seine Damen ein nnd zog damit die Lochmühle iu einen nenen und höhern Kreis gesellschaftlicher Beziehuugeu. Auch iu ihm behauptete sich Frau Leuuer mit Auszeichnung, ihre Empfänglichkeit und ihr Verständnis überstieg alle Erwartungen.

Der alte Leuner sah dem sehr scheel zu; seinem sparsamen Sinn waren die ewigen Besuche und die großartige Gastfreundschaft höchst bedenklich, die Lobreden auf seine Schwiegertochter aber brachten ihn auf, er spähte nach einem wunden Punkt und bezahlte Leute, die ihm Nachteiliges zutrugen. Leider bot Frau Leuuer dazu Anlaß. In ihrer raschen, auffahreuden Art hatte sie sich iu fortgeschickten Dienstboten, in Leuten, denen siedie Wahrheit gesagt" hatte, bald eine Reihe offner uud heimlicher Feinde geschaffen, und eS dauerte uicht lauge, da war von diesen auch eine wirkliche Schlechtigkeit, ein straffälliges Verhältnis zwischen ihr und dem königlichen Forstgehilfen Hering entdeckt.

Hering hatte seine Laufbahn als sächsischer Offizier begonnen, in Österreich fortgesetzt, war aber im Feldzug unter Radetzkh durch einen Schuß ins Knie zu