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Kleinere Mitteilungen.
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Kleinere Mitteilungen.

dcr gegenwärtig von den Schenkwirten mit den Wörtern Bnrg und Halle getrieben wird. Was für eine Vorstellung hat man bisher mit dem Worte Halle verbunden! Man deuke an Schillers:Freude war in Trojas Hallen," an UhlandsVer­nahmst du aus hohen Hallen Saiten und Festgesang/' an Kuglers:Ihre Maucru siud zerfallen, und dcr Wind streicht durch die Hallen," an Elisabeths Auftreten im Tannhäuser:Dich, teure Halle, grüß' ich wieder." Man denke auch an die Tonhallen, die Tuchhallen, die Markthallen, die Ankunfts- und Abfahrtshallen der Bahnhöfe u. dergl. Nun vergleiche man damit den heutigen Gebrauch. Wenn einer draußen in der Vorstadt eine kleine Budike mietet, um Milch nud Eier, Butter und Käse drin zu verkaufen, so schreibt er stolz über die Ladenthür: Milchhalle. Und sein Nachbar, der ein Paar kleine Stuben im Erdgeschoß, eine zweifenstrige und eine cinfenstrige, zu einem Bierschank hergerichtet hat, nennt das Bierhalle oder Buudcshalle, womöglich Reichsbierhalle. Noch ärger aber wird es mit der Bnrg getrieben. In dcr Südvorstadt Leipzigs kommt man jetzt auf einem Wege von ein paar hundert Schritten bei nicht weniger als sechs Burgen vorbei: bei dcr Kaiserbnrg, der Südburg, der Körnerburg, der Moritzbnrg, der Albrcchtsburg und der Petersburg! Fühlt mau denn nicht, wclche Abgeschmacktheit schon in diesen Zusammensetzungen liegt? Was hat Kaiser Wilhelm oder Theodor Körner oder dcr Apostel Petrus mit einer Bnrg zn schaffen? Die Petersburg die neueste Schöpfung dieser Art ist nämlich im Anschluß au die Pctersstrnßc, die Peters- brücke, das Pctersthor uud die Peterskirche genannt, ebenso wie der Nikolai­tunnel, auch eiue Bierwirtschaft, im Anschluß an die Nikolaistraße und die Nikolaikirche. Oder hat der gute Mcmn wirklich keine Ahnung davon gehabt, wer der Peter ist, nach dem die Petersstraße genannt ist? Hat er an den Zaren ge­dacht? Denkbar wäre es ja bei den bedcntenden Geschichtskenntnissen, die im Volke verbreitet sind. Hatte doch vor ein paar Jahren, als zu Ehren Fichtes eine neue Straße in Leipzig Fichtestraße genannt worden war, ein Schenkwirt nichts eiligeres zu thnn, als einRestaurant zur Fichte" dort zu eröffnen. Nuu muß mau sie aber nur sehen, diese Burgen!

Man begreift es ja, wie die Leute zu ihrer Vorliebe für die Halle» uud Burgcn gekommen sind. Es hängt das unzweifelhaft mit dcr Altdentschtümclei zusammen, die voni Kunstgewerbe ausgegangen ist. Vertäfelte Wände, Butzenscheiben, schmiede­eiserne Kronleuchter, Eicheuholzschemel, Steinkrüge was Wunder, daß die Leute nun auch iu Burgcu und Halleu sitzen wollen auch dieKlosterschenkcn" sind beliebt, wenn sie auch thatsächlich in ganz gewöhnlichen Bierstuben sitzen, in dcr außer dem unvermeidlichen Billard kaum vier Tische Platz haben. Aber es thut einem doch leid um die schönen Wörter, die in ihrer Bedeutung hcruntergezogcn wcrdcn, und um das Sprachgefühl, das durch deu dummen Mißbrauch abgestumpft wird.

In frühern Zeiten durfte kein Schenkwirt feine Wirtschaft benennen oder den Namen seiner Wirtschaft verändern ohne Zustimmung der Behörden. Das war mitunter recht heilsam. Als in Deutschland die leidige Mode aufkam, die Gast­höfe in Hotels zu verwandeln, als in Leipzig derHelm" in ein Hots! äo ?ru8M, dcrblaue Engel" in ein HötsI äo Russio, zwei andre Gasthöfe in ein Hotsl äs Lsxs und ein Hötvl äo IZg-viors nmgetauft waren, da meldete sich auch der Wirt zumgroßen Joachimsthal" in dcr Hainstraße und wollte seinen Gasthof fortan Lötsl äs (!) AiAncl .IvÄsbimstncü nennen. Das war denn doch dem Leipziger Rate zu toll, er wies den Wirt ab. Wie manche Dummheit würde uns auch heute noch erspart bleiben, wenn nicht jeder Hansnarr die seinige so ungehindert zu Markte tragen dürfte!