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Literatur.
Wörterbücher mit als die ersten auf den Plan, deren eines, das oben genannte, jetzt in dritter, wesentlich bereicherter Auflage vorliegt. Der Verfasser, in orthographischen Dingen ein Mann von wohlverdientem Ansehen nnd an der Regelung der Rechtschreibung beteiligt, hat in dieser ueucn Auflage, deren Umfang aber darum nicht ungebührlich angeschwellt worden ist, durch Hiuzufügung etymologischer Angaben und kurzer Sacherklärungen seltener deutscher Ausdrücke, sowie der Fremd- uud Lehnwörter das etwas langweilige Gesicht der ersten Auflage belebt uud sozusagen vergeistigt. Als einen besonders glücklichen Gedanken müssen wir die Neuerung rühmen, daß den Fremdwörtern überall nicht bloß eine Angabe der Herkunft und bündige Erläuterung, sondern auch, soweit wir prüfen konnten, ein durchaus angemessenes und geschmackvolles deutsches Ersatzwort beigefügt ist: alles zeugt von den zuverlässigen sprachgeschichtlichen Kenntnissen des Verfassers, sowie von seinem feinen Sprachgefühl. So wird das Büchlein zugleich — und dieses Ziel hat der Verfasser wohl auch im Auge gehabt — die Bestrebungen des deutschen Sprachvereins fördern helfen; mancher dürfte es als ein bequemes Fremd- und Verdeutschungswörterbuch schätzen lernen. Denn in dem an sich so löblichen Bestreben, zu verdeutschen, schießt man ja so leicht fehl, wie das selbst dem vorsichtigen Verfasser des trefflichen Aufsatzes iu den Grenzboten (1837, Nr. 15) begegnen konnte, der mit der verkehrten Verdentschnng „Enkelwirtschaft" für Nepotismus seinen Gegnern eiue erwünschte Handhabe zn nicht ganz unbegründetem Spotte gegeben haben dürfte.*) Ein Blick iu eiu Büchlein wie das vorliegende, das ein zuverlässiger Führer uud Ratgeber ist, wäre in solchen Fällen durchaus nicht zu verachten. Wenigstens braucht sich niemand des Geständnisses zu schämen, daß er der Beihilfe des „kleinen Duden" keineswegs glaubt überall entbehre» zn können. Sollten wir dem Verfasser für die vierte Auflage einen Rat geben dürfen, so wäre es der, zu erwäge», ob nicht uud in welchem Umfange eine Bezeichnung der Betonung fremder zunächst, aber auch heimischer Wörter angebracht sei. Das Büchlein würde dann freilich ein etwas unruhiges Aussehen erhalten, aber der Kreis der Benutzer sich dadurch ohne Zweifel auch erweitern. Denn Ausländer greifen in solchen Dingen oft lieber zn einem handlichen Büchlein, als daß sie gleich in einem größern Wörterbuche herumsuchen, welches sie zudem bei Fremdwörtern doch meist im Stich läßt. Dem deutschen Zeitungsschreiber aber kann es auch nichts schaden, wenn er lernt, daß es heißt: einen Verbrecher überführen, aber eine Leiche überführen; er würde dann nicht immer von überführten Leichen berichten, anstatt von übergeführten. Um der Sache willen, aber auch dem hingebenden, entsagungsvollen Fleiße des Verfassers zum Danke wünschen wir dem Buche eine recht weite Verbreitung. G. B.
Frau von Staöl, ihre Freunde und ihre Bedeutung iu Politik und Literatur. Von Charlotte Lady Blenncrhassctt, geb. Gräfin Leyden. Mit einem Porträt der Frau von Staöl. Erster Halbband. Berlin, Gebrüder Pactel, 1887.
Kann man auch über ein so weit ausholendes Unternehmen wie diese Staöl- Biographie — sie ist auf fünf Bände berechnet, die langsam erscheinen werden: „als ein Beitrag der deutschen Literatur zum Centcnarium von 1789," wie es im Vorwort heißt — kein endgiltiges Urteil fällen, so gewährt doch dieser erste Halbband genug Einsicht in die Methode uud den Geist der Verfasserin, daß wir
*) Ein bischen Latein hilft eben nicht; denn das Wort ist uns offenbar durch die neulateinische oder italienische Sprache zugeführt; Duden giebt unter dem Worte: „(ungerechte) Begünstigung der Verwandten, Vetternwirtschaft."