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Irland und O´Connell : zweite Abtheilung.
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artig, ja oft erhaben poetisch.») Vergessen darf übrigens bei seiner Schilderung als Redner nicht werden, daß sein kräftiges Aeußeres, seine stolze Haltung, sein freies lebendiges Geberdenspiel/ sein beweg­licher GcsichtSausdruck, sein Helles offenes Auge und seine überaus klare und biegsame Stimme den Eindruck seiner Reden so bedeutend erhöhen, daß sogar die spöttischen Engländer seinen zwar sehr feinen, aber doch immer etwas auffallenden irischen Accent vergessen.

Man hat O'Connell mehrfach und lebhafte Vorwürfe gemacht wegen der mannigfachen Schwankungen, die seine Politik als Par­lamentsmitglied bezeichnen; aber man hat vergessen, daß, wenn er zuweilen zwischen Tones und Whigs schwankte, wenn er die Radi­kalen bald unterstützte, bald verließ, er doch von dem einen großen Endziel seiner Bestrebungen, der Freiheit Irlands, nie auch nur ein Haarbreit abgewichen ; man hat vergessen, daß nicht er, sondern die englische Politik Irland gegenüber das schwankende Element war. O'Connell ist dem Grundsatze, den er am Beginn seiner Laufbahn aufgestellt, unverbrüchlich treu geblieben, der praktisch nützlichen Regel nämlich, daß eine Partei, die nicht all ihr Recht erobern könne, keine Abschlagszahlung, keine theilweise Erleichterung von sich stoßen dürfe.

*) Wir glauben auf den Dank unsrer Leser rechnen zu dürfen, wenn wir ihnen, mehr verbietet der Raum, wenigstens eine Probe dieser, man muß es gestehen, in O'Connell's Reden selbst seltenen erhabenen Stellen mit­theilen. Wir wählen als eine der glanzvollsten und charakteristischsten den Schluß der Rebe, die er nach seiner zweiten Wahl in Cläre vor fast hundert­tausend Zuhörern hielt, bitten jedoch vorher unsre Leser, nicht zu vergessen, daß O'Connell ein gläubiger Katholik ist und zu frommen Katholiken spricht, ein Punkt, auf den wir später noch zurückkommen werden. Seine Worte nun lauteten:In Gegenwart meines Gottes und mit dem vollständigsten Bewußt- sein der Verantwortlichkeit, welche die heiligen und furchtbaren Pflichten, die Ihr Jrländcr mir nun ein zweites Mal auferlegt, nach sich ziehen, nehme ich diese Pflichten über mich. Nicht in meiner, nein in Eurer Kraft liegt für mich die Gewährleistung dafür, daß ich sie erfüllen werde. Ihr Män- ner von Cläre wißt, daß die einzige Grundlage der Freiheit die Religion ist. Ihr habt triumphirt, weil die Stimme, die sich für das Baterland er- hob, zuerst ein Gebet zu Gott dem Herrn emporgesandt hatte. Jetzt ertönen der Freiheit Gesänge in unsern grünen Gefilden, von den Hügeln herab er­klingen sic, sie erfüllen die Thäler, und die Gewässer unsrer Flüsse murmeln und die Donnerstimmen unsrer Ströme rufen es laut, wovon unsre Gebirg? widerhallen - Irland ist frei!"

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