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Tagebuch.
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484
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T a g e b u eh.

Laiencvangelium, von Fr. von Sallet.

Schon der Name dieses Buches erinnert an dasjLaienbevier von L. Sche­fer. Das Evangelium wie das Brevier enthalten didaktische Gedichte, in denen die Verfasser ihre Philosophie, eine eigene Betrachtung der Welt und des menschlichen Lebens, ausgesprochen haben. Schefer jedoch ist poetischer, origi­neller; aber er ist auch reicher und mehr im Kleinen verloren; seine Dich> tungen sind nicht selten spielend, coqucttirend mit Lieblingsgefühlen, und des­wegen unangenehm. Dann aber ist Schefer wieder erhaben in Anschauungen und Gedanken, rasch, kühn und glücklich in Bildern; v. Sallet hingegen ist mehr Denker, kalt, klar und strenge, immer in gleicher Linie der Reflexion fortschreitend; er ist mehr Lehrer als Dichter; trockener, allein auch männli­cher als der Verfasser des Breviers, giebt er nicht, wie dieser, jedem Reiz der Einbildungskraft, jeder Lockspeise der Anschauung nach; und dazu kommt noch das Verdienst, daß er nicht in reimlosen Zeilen sich ergeht, von denen ein Dichter sagt:

Und fliehe wie den Tod die ungereimten Iamben! Aber diese überdachten, gleichmäßigen Dichtungen werden eintönig und ermü­dend, nicht allein wegen der vielen Wiederholung der Hauptidcm, sondern sobald man sie, freilich gegen das Recept, in zu großer Dosis nimmt. Man soll, wie in ein Salzfaß, nur von Zeit zu Zeit mit kleinen Löffeln hinein^ tauchen.