258
ihre kostbarsten Zierrathen zu Gunsten der Unglücklichen zu seinen Füßen niederlegten, Diese Geschichte hat mich stets sonderbar ergriffen und ich wollte, eS fände sich ein Schriftsteller, der in unserer Zeit, bei dem immer tiefer in die Gesellschaft sich einfressenden Krebsschaden des Pauperismus, so auf die Herzen zu wirken verstände. Er müßte, wenn er die Glücklichen dieser Welt sür das wahre Elend interessiren wollte, einfach sein wie die Wahrheit und streng wie das Unglück. Er dürfte kein Menschenfreund von Prosession sein, denn diese prunkvolle Tugend, womit die Eitelkeit sich brüstet, ist heutzutage, da Jedermann weiß, daß die Philanthropie zu Nichts verpflichtet, in Mißcredit gekommen. Eben so wenig dürste er, dagegen sträubt sich der Geist unserer Zeit, sein Buch im Kanzelstyle und Predigertone schreiben; denn gar viele sogenannte starke Geister würden gegen ihre eigene Ueberzeugung seinem Buche kein Gehör geben, blos weil sie aus anderweitigen Gründen ein System der Feindseligkeit gegen alle religiösen Gefühle befolgen.
Aber ach! ich fürchte fast, mein Schriftsteller ist nicht aufzufinden. Denn wo lebt in unsrer Zeit noch in stiller Verborgenheit ein Mann, der Talent und Herz genug besäße, um weder in Styl- noch in Gedanken-Ercesse zu verfallen, um seine Gefühle von aller Uebertreibung fern zu halten, um weder aus Glaubens- noch aus Partei-Rücksichten seine Darstellung auf die Spitze zu treiben, der unzugänglich wäre den Täuschungen der Eitelkeit, der auf die kleinen Triumphe der Eigenliebe mit gerechter Verachtung hinabschaute, und den die Liebe zum Guten allein zu solchem Werke begeisterte? Wo, frag' ich, weilt ein solcher Schriftsteller? Und doch müßte er all diese Eigenschaften besitzen, um das zu thun, was ich verlange, nämlich die übertriebene Empfindsamkeit der Weltkinder zum Besten des Volkes zu lenken.
Ich habe oftmals von einer traurigen, gar rührenden Geschichte geträumt, die ohne alle hinterlistige Einleitungen, ohne rednerische Kunstmittel, ohne all jene Sprachschlingen erzählt werden müßte, in die man selbst die einfachsten Dinge verwickelt; kurz/ eine Geschichte, nackt wie das Unglück und bei deren Vortrag man sich alles Effecthaschens enthielte; denn durch die Sucht, überall dramatische Effecte hervorzubringen, werden zuweilen die besten Ideen und besonders die nützlichsten verdorben. Die Trauerlieder, die man