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Böhmen
Herrschaft in Böhmen an sich zu reißen trachtete. Als Prag selbst nach wilden Mordszenen in die Hände der Schwärmer gefallen war, wollte endlich Wenzel strafend eingreifen, aber ein Schlagfluß machte seinein Leben ein Ende. Sein rechtmäßiger Erbe war Kaiser Siegmund, aber die tschechischen Kelchbrüder verweigerten dem „Henker" ihres Propheten die Anerkennung nnd rüsteten sich zum Widerstand. Um die gänzliche Ausrottung des Katholizismus in Böhmen zu verhindern, wurde endlich in den deutschen Nachbarländern das Kreuz gepredigt. Aber die Kreuzheere vermochten nichts auszurichten, vergeblich versuchte ein solches die von Ziska besetzte Stadt Prag zu erobern; alle Stürme wurden abgewiesen. Im Jahre 1431 floh ein zweites großes Neichsheer von 14000 gerüsteten Pferden, 80000 Mann streitbaren Volks nnd einer Wagenburg von 8000 Wagen schmachvoll beim Herannahen der schwächern Hussiten- scharen wieder über die böhmischen Grenzberge zurück, nnd seit dieser Zeit wußte jedermann, daß das Neichsheer in seiner Zusammensetzung aus zahllosen Kontingenten und uneinigen Fürsten ein ebenso kraftloser Mechanismus geworden war wie das Deutsche Reich selbst. Von da an begannen die Kriegszüge der Hussiten gegen die Deutschen; ihre Siege waren freilich nur möglich durch den schmählichen Verfall des Reichs; die Nebenlünder, namentlich Schlesien, litten unsäglich. Die Kriege wurdeu schließlich durch Verträge infolge der Uneinigkeit der tschechischen Parteien notdürftig beendet, aber bis zum Ende des Jahrhunderts dauerten vereinzelte Raubzüge tschechischer Haufen und Aufstünde des verwilderten Volks. Auch ein Teil der deutschen Gemeinden in Böhmen zerfiel während der Hussitenkriege, und die Grenzen des deutschen Kolonisationsgebiets wurden durch den Hussitenstnrm nach Osten hinausgedrängt und sind auf dieser Seite nicht wieder hergestellt worden.
Der Hussitenkrieg hinterließ unfertige chaotische Zustände, das Land versank in wüste Anarchie, wurde durch zeitweilige Verbindung mit Ungarn in eine zwiespältige Stellung zum Reiche gebracht und behielt seine separatistische Stellung zur Kirche. Erst 1526 siel Böhmen wieder an das Haus Habsburg zurück. Zwei Jahrhunderte nach der nationalen Universitütsrcvolntion standen die Tschechen aller Stände wieder in voller Revolution, setzten ihren Landesherrn ab und wählten sich den Kurfürsten Friedrich von der Pfalz zum König, der freilich kein volles Jahr regierte, die Schlacht auf dem Weißen Berge gegen den Kriegsmeister Tilly verlor und anßer Landes flüchtete. Nuu brach ein furchtbares Strafgericht über Böhmen herein, denn der jetzige Kaiser war kein Luxemburger Siegmnnd, sondern ein Habsburger und überzeugter Zögling der Jesniten, dem es mit der Ausrottung der Ketzer voller Ernst war. Er schlug aus religiösen Gründen die wesentlich nationale Bewegung der Tschechen nieder. Die traurigen Exekutionen in Prag am 21. Juni 1621 bezeichnen den Abschluß der alten Entwicklung Böhmens, Söhne der bedeutendsten tschechischen Adelsgeschlechter des Landes, hervorragende Bürger und Gelehrte, also die Repräsentanten seines gesamten Kulturlebens, eudeteu hier und mit ihnen ihre Bestrebungen. Die Geschicke des Landes wurden fortan von Fremden geregelt, die für die bisherige Entwicklung kein Verständnis nnd keine Teilnahme hatten. Am 10. Mai 1627 unterzeichnete Ferdinand der Zweite das Patent zur Einführung