2Zg Deutsche Rechtsaltertümer in unsrer heutigen deutschen Sprache
ihrer Vasallen oder „Lehnsmannen" — den Vorfahren der heute so weit verbreiteten Familie „Lehmann" —, und von diesem Umstände aus hat dann das von „tsuänin" abgeleitete Eigenschaftswort „feudal", das ursprünglich nur dem engen Gebiete des Lehnwesens angehörte, seine Bedeutung allmählich so zu erweitern vermocht, daß es jetzt „in einein gewissen Jargon schlechthin für etwas notwendig und selbstverständlich Vornehmes und Großartiges gebraucht wird." (Cour. Thümmel, Aus der Symbolik des altdeutschen Bauernrcchts, Hamburg 1887, S. 8.) Neuerdings ist es zwar gegen das noch modernere, besonders beim Militär beliebte „schneidig" etwas zurückgedrängt worden, doch pflegt noch immer der flotte Bruder Studio nicht nur in ein „feudales Korps" einzutreten oder vielmehr „einzuspringen," er bringt es auchfertig, sich eine „feudale Bnde" zu mieten oder sogar sich eiuen „feudalen Überzieher" beim Schneider „bauen" zu lassen. Dabei wird man seine Unkenntnis des eigentlichen Sinnes dieses Adjektivs sogar dann verzeihlich finden, wenn er zu den Themis- jüngern gehören sollte, denn das einst sehr wichtige Lehnrecht ist ja schon seit geraumer Zeit aus der Reihe der obligatorischen llniversitätsvorlesungen als für die Praxis bedeutungslos gestrichen worden.
Wie fast bei allen Völkern auf den unterstell Kulturstufen hat das Vieh auch bei den Germanen zunächst als Tanschmittcl und Zahlungsmittel gedient, ist also — modern gesprochen— als ältestes „Geld" gegeben nnd empfangen worden (vgl. das römische poounia, von poous, Reichtum an Vieh, an beweglicher Habe, dann Reichtum überhaupt, Geld), d. h. als „Zahlung" oder das, „was als Zahlung galt," Ersatz, Entschädigung, Vergeltung (Geld, ahd. und mhd. Aölt, von „gelten," erst viel später auf das geprägte Zahlmittel, die klingende Münze beschränkt; vgl. „Entgelt," worin der allgemeinere Sinn noch erhalten ist). Unsre Sprache läßt heute noch deutlich genug in der Wendung „eine Schuld beitreiben" oder „eintreiben" die Erinnerung an die primitiven Zeiten durchschimmern, in denen die Schuld noch wirklich in „gangbarer," d. h. vierbeiniger Münze beglichen wurde, woran auch noch die in frühern Zeiten gleichfalls gerade für Münzen gebräuchlich gewesene Formel „gäng und gäbe" (d. h. geciguet zu gehen und gegeben zu werden) anzuklingen scheint.
Im Anschluß hieran sei endlich erwähnt, daß auch im ältern deutschen Forderungsrechte („Recht der Schuldverhältnisse") gewisse gesetzliche Ansprüche auf Leistungen bestimmter Arten von Tieren geltend geinacht werden konnten, die jetzt größtenteils schon wieder in Vergessenheit geraten sind. Das waren die sogenannten Naturalleistungen von Vieh (Viehzinsen, Blntzchnten usw.), manchmal mit Rücksicht auf den Fälligkeitstermin noch spezieller als Fastnachtshiihner, Pfingstlämmer, Martinsgänse n. dergl. in. bestimmt), die neben den „Fronden," „Frondiensten" oder „Fronarbeiten" — wie unsre Sprache wohl auch heute noch besonders schwere Dienste und Arbeiten bezeichnet — zu den hanptsäch- lichsten Verpflichtungen der Gutsuntcrtanen (Leibeignen, Hörigen) gegenüber dem Gutsherrn gehörten. Da nuu uuter diesen Zinstieren offenbar die Hühner, Zinshühner (auch Leib-, Hals, Hand-, Ranchhühner usw. genannt) und „Zinshähne" besonders beliebt gewesen sind und unter den letztem wieder namentlich solche mit schönem, rötlich schimmerndem Gefieder (oder vielleicht auch mit besonders rotem Kamm und Kchllappen) bevorzugt sein dürften, so findet von hier aus der auffällige, jetzt auch für die Gesichtsfarbe von Meuscheu gebräuchliche Ausdruck „rot wie ein Zinshahn" eine passende
Erklärung.
tFortsctzung folgt)