Villa Glori
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liche Kriegslist befürchtend nachsehn, steht Mosettig, am Bein verwundet, vor der Tür und meldet, daß noch andre Verwundete auf dem Gefechtsfelde lägen. Einige wagen sich dahin, finden Enrico Cairoli tot, Mantovani im Sterben und bringen mit ihnen noch einen dritten nach dem Hause; von den andern Vermißten ist nichts zu finden. Von diesen hatten sich nämlich zwei, Giovanni Cairoli und ein andrer, in der Finsternis mühsam bis zum Winzerhause geschleppt, unter dessen Vorhalle schon ein andrer Kamerad, am Bein schwer verwundet, auf einer Streu lag, uud hatten bei den braven Leuten bereitwillige Aufnahme gefunden. In ruhigerer Überlegung beschlossen nun die noch kampffähigen Genossen, während der Nacht abzuziehn und sich mit den Kolonnen Garibaldis zu vereinigen, der an demselben Tage schon die Grenze überschritten hatte; doch ließen sie drei Kameraden zur Pflege der Verwundeten zurück. Schließlich schliefen die Zurückgebliebnen vor Erschöpfung ein; auch Ferrari versank in einen traumlosen Schlaf.
Ein herrlicher Morgen weckte ihn, die strahlende Sonne eines echt römischen Oktobertages vergoldete die Bäume und die Hecken, von der „ewigen Stadt," der so heiß und so vergeblich umworbnen, klang das Glockeugelänt, und zuweilen knallten Schüsse eifriger Jäger in der stillen Herbstlandschaft. Aber mit diesem friedlichen Bilde kontrastierte grausam die nächste Umgebung: Haufen von Waffen, weggeworfnc Kleidungsstücke, Hüte, Feldflaschen, umgestürzte Stühle, zerbrochnes Geschirr, zerschlagne Weinflaschen, Speisereste, Verbände, Strohschütten, alles mit Blut bespritzt, im Zimmer daneben zwei starre Leichen "nd da und dort stöhnende Verwundete, die immer noch vergebens auf Hilfe warteten. Zu ihnen gesellte sich noch am Morgen auch Giovanni Cairoli, der mit vcrbundnem Kopfe, blutbesprengt und sich mühsam am Stocke fortschleppend ankam; sein heißester Wunsch war, seinen gefallnen Bruder nochmals zu sehen. Dann schickte er den Winzer nach Rom hinein an die Militärbehörde mit der Bitte um ärztliche Hilfe und sorgte noch selbst für den Verband eines Päpstlichen Soldaten, der schwer getroffen am Winzerhause lag. Am Herreuhause ließ er ein weißes Tuch aushängen als Zeichen, daß niemand mehr an Widerstand denke.
Es war gegen Mittag, als Waffenklirren die Ankunft päpstlicher Truppen ankündigte. Es waren (französische) Znaven, Dragoner. Gendarmen u. a. m., Leute, die meist nicht einmal italienisch verstanden. Mißtrauisch näherten sie sich dem Herrenhause mit schußfertigem Gewehr, obwohl ihnen die Jnsasseu entgegenriefen.- ?sriti, töriti, blsssüs! und Cairoli selbst ihnen auf der Schwelle entgegentrat nnd ihnen versicherte, es seien nur Verwundete da. Endlich ließen sie sich beruhigen, ein Dragoncrleutncmt befahl den Freiwilligen, sich vor dein Hause aufzustellen, allerdings mit der drohenden Weisung an die Wache: „Wenn sie lügen, schießt sie nieder!" und ließ das Haus genau durchsuchen. Auf die Bitte Cairolis, die Leiche seines Bruders dabei zu achten, erwiderte ein französischer Gendarmerieoffizier gemütvoll: „Wenn er tot ist, kann ich ihm nichts Schlimmes mehr antun." Die vorgefundnen Revolver wurden mitgenommen, die Gewehre zerschlagen, eine ziemlich langwierige Arbeit. Dann zog das Kommando ab. nm die Gegend nach „Banden" zu durchsuchen.