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Feuer!
dankenfnden. Eine rote Welle verschlingt ihn, und auf diese folgt eine zweite rote Welle; schön spiegelt sich die Sonne in dem Purpurglcmz der feuchten Wölbungen. Schade nur, daß der Schaum dieser Brandung an Blutschaum erinnert. Ist nun das nicht wie eine Uhr? Wie Welle die Welle treibt, treibt Stunde die Stunde, und sie wandeln an mir hin und hinab; und das ist mein Leben.
Zwei Dinge, die dem Tode folgen, sollten nicht sein, begann der Lazarettgehilfe wieder, der Starrkrampf nnd die gebrochnen Augen, sie sind der Schrecken der Schlachtfelder. Ist es nicht wie ein grausames Spiel der Natur mit dem Menschen, daß sie ihn bei gewissen Verwundungen so hinbannt, wie er gerade sich bewegte, als ihn die Kngel traf. Wer einen Schuß in einen bestimmten Teil des Gehirns bekommt, bleibt halbstcheud oder kniecnd, mit erhobnem Arm, die noch den Säbel oder das Gewehr hält: das grausige Gegenteil des Todesschlafs, von dem ihr sprecht. Und was die Augen angeht, so suchst du in dem friedlichsten Gesicht, das vielleicht freundlicher lächelt als jemals im Leben, manchmal sogar spöttisch oder verschmitzt zu lächeln scheint, vergebens das Licht und die Sprache der Augen; du findest nur zwei trübe blaugraue Bälle, in denen keine Seele mehr wohnt, in die kein Lichtstrahl mehr eingeht. Dieses Stieren ins Weite, so stumpf, so zwecklos, hat etwas unsäglich trauriges. Es ist so recht das Siegel des Todes. Tu jedem Gestorbnen den Gefallen und drücke ihm die Augen zu, dann erst kehrt der Schlaf ganz bei ihm ein, schloß der Theolog.
Wir sind jetzt beim Ende angekommen, das ist unzweifelhaft das Grab. Fast jeder Soldat findet sein Grab, wenn auch nicht jeder eins für sich. Soldaten passen nicht in stille, tatenlose Gräber, wo Leiche neben Leiche liegt, jede in ihrer besondern Grube, und keine etwas von der andern weiß; so wie sie im Gefecht und auf dein Marsche eine Masse bilden, mögen sie auch in einem Massengrab ruhn, ans die Gefahr hin, daß es am jüngsten Tag einige Verwechslung mit den Knochen gibt. Das abgebrochne Reis, das weggeworfne feindliche Faschinenmesser oder Bajonett, von einem Kameraden, der mitgeschaufelt hat, darauf gesteckt, sind die Passenden Denkmäler für solche Gräber. Keine Umstände, kein Aufhebens! Freund und Feind, die beide ihre Pflicht erfüllt haben, indem sie ihr Leben ließen, mögen beieinander ruhn. Für die Eltern ist es schmerzlich, nicht am Grabe ihres Sohnes beten zu können, dafür werden künftige Geschlechter den Hügel ragen sehen, unter dem der Staub von Helden modert, und ein weitästiger Baum wird darüber rauschen und raunen. __
Feuer!
Erinnerung aus dem russischen polizeileben von Alexander Andreas (Fortsetzung)
> o war der Tag vor Johannis herangekommen. Ich hatte im Stadtteilhause die Rückkehr des Aussehers von dem Landsitze des Polizeimeisters erwartet und ging träge und mißvergnügt nach Hause zum Essen. Ich war körperlich und geistig müde. Die angestrengte Tätigkeit, die Ungemütlichleit, die in mein Verhältnis zu Mascha ge- ! treten war, die Schlaflosigkeit, die sich infolgedessen eingestellt hatte — alles das zusammen wirkte auf mich ein und raubte mir die frühere Frische. Dazu war es seit einer Woche drückend heiß. Schwüler, sengender Südwind wehte ununterbrochen nnd wurde mit jedem Tage stärker. Widerwillig genoß ich einige Bissen und kämpfte dann mit mir, ob ich zu Mascha gehu solle oder nicht. Ich würde sie doch schwerlich zuhause fiuden, dachte ich. Und wenn sie zuhcmse war? Die nichtssagenden Gesichter der Offiziere, ihre zum Ekel einförmigen und sich
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