172 Maßgebliches und Unmaßgebliches
gegeben. Vudde charakterisiert diese neue Ausgabe mit der Bemerkung, der Titel würde richtiger lauten: Der Keilinschriftler und das Alte Testament. „Ein schrankenloser Pcmbabylonismus läßt Winkler alle andern Völkerpersönlichkeiten im alten Vordcrasien vernichten und verneinen." Budde erzählt folgendes Geschichtchen, das eigentlich aus zweien besteht, und das, wenn die Gelehrten für Belehrung empfänglich wären, der Ableitungsmanie ein Ende machen würde. Ein hervorragender Gelehrter hat ihm ein als Manuskript gedrucktes Werk übersandt, worin init großein Scharfsinn nachgewiesen wird, daß der ganze Stoff der ersten sechs oder sieben Bücher der Bibel bis in die kleinsten Einzelheiten hinein der ägyptischen Mythologie entnommen sei. Der Verfasser hat auf Buddes Rat von der Veröffentlichung Abstand genommen, wozu wohl nicht wenig die Mitteilung des Genannten beigetragen haben mag, in einem andern ihm übersandten Manuskript werde „der zwingende Nachweis geführt, daß der ganze Bestand der alttestamentlichen Sagen aus der altirischen Götterlehre herstamme, wie denn überhaupt die Wanderung der Menschheit und die Besiedlung der Länder nicht von Südvsten nach Nordwesten, sondern vou Nordwesten nach Südvstcu vor sich gegangen sei." Winkler hat auch die Entdeckung Stnckens ausgespvnneu, daß die alttestamentlichen Patriarchen und Könige babylonische Sonnen-, Mond- und Sternengötter, und ihre Geschichten mythologische Darstellungen der Bewegungen und Phasen der Gestirne seien; in das Prokrustesbett der Sommer- und Winterstellung von Sonne, Mond und Morgenstern hat er die ganze alttestamentliche Geschichte eingespannt. Budde führt diese verrückte Idee acl kbsnränm und mißbilligt es, daß solche Phantastereien, die man allenfalls verzeihen könnte, wenn die Bibelkritik eine ganz junge Wissenschaft wäre, in einem Werke niedergelegt werden, das auf die Autorität des ursprünglichen Verfassers hin der Student und der Pfarrer als Handbuch auschaffen in der Meinung, es enthalte die gesicherten Ergebnisse der Denkmälerforschung.
Jeremias weist zunächst nach, daß einige Kritiker von Delitzsch, unter andern mich der seinerzeit vou uns belobte Eduard König, mehrfach daneben geschossen haben, und beleuchtet eine Anzahl neuerer Bibelhypothesen in der Ab< sieht, eine Verstäudiguug anzubahnen. Die minäischen (arabischen) Inschriften, deren Inhalt bis jetzt leider nur zum kleinste« Teile bekannt geworden ist, erwähnt auch er und bemerkt, wenn die Prüfung ergeben sollte, daß Arabien wirklich damals ein Kulturland gewesen sei, so werde damit einer der Hauptvvraus- setzuugeu der evolutionistischeu Auffassung der Geschichte Israels der Boden entzogen. Jeremias findet es betrübend, daß die ruhige Entfaltung der Assyriologie, einer so schönen Wissenschaft, durch das plumpe Eingreifen entgegengesetzter Tendenzen gestört werde; anfangs seien alle Funde in marktschreierischer Weise als Bestätigungen biblischer Angaben ausgenutzt worden, dann habe man sie in den Dienst einer destruktiven Kritik zu stellen versucht. Die Bedenklichen unter den positiven Theologen bittet er, folgendes zu erwägeu. „Sofern das Alte Testament Anspruch auf eine üäes clivimc hat als Urkuude der göttlichen Erziehung des Menschengeschlechts, bedarf es keiner Stütze durch Hilfswissenschaften. Hier kann Babel das Verständnis nicht fördern, aber anch die Bibel nicht gefährden trotz alles wissenschaftlichen Sprachengewirrs. Zehn fettgedruckte Stellen in der Lutherbibel genügen, um zu zeigen, wie erhaben der Geist des Alten Testaments über Babylon steht. Aber das Alte Testament hat auch eine menschliche Seite — so großartig und interessant, daß keine Literatur der Antike mit ihr in einem Atem genannt werden darf. Vieles blieb dunkel, so lange der weltgeschichtliche und kulturgeschichtliche Nahmen verdeckt war, in dem sich die Geschichte Israels abgespielt hat. Jetzt lichtet sich die Welt rings uni Kauaau her. Hier kann die Keilschriftforschung wichtige Hilssdienste tun für das Verständnis der Bibel. Das unvergängliche Kleinod, das Israel besitzt, wird in solcher Umgebnng nur um so Heller leuchten, und auch die LÄss IminÄug,, auf die das einzigartige Literaturbuch Anspruch hat, wird die Feuerprobe bestehn."
Daran zweifeln anch wir nicht. Aber wie unsre Zeitnngs- und Zeitschriften-