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Weiser, der für alles ein Sprüchlein hat? — Man glaubt zu schieben, und man Wird geschoben.
Also wider Willen?
Ob., ob! x^s äu Wut! Gern, von ganzem Herzen. Aber obwohl ich gern komme und mich nach dem alten Erfurt uud den holden Jugendeseleien — so sagt ihr doch? — gesehnt habe, ich Ware wahrscheinlich doch aus lauter lieber Bequemlichkeit iu Paris geblieben — wenn nicht —
Er brach ab, gab einem Dienstmann Schein und Tasche, brannte sich eine Cigarette an nnd sah sich um. Dann fragte er: Doch zu Fuß? Die drei Jahre erscheinen mir wie eine Ewigkeit; ich muß sehen, ob noch alles auf seinem Platze steht. Hier draußen in der Stadt, wie drinnen bei euch iu dem kleinen lieben Hause.
Robert antwortete nur mit einem Kopfnicken. Stumm gingen die beiden jungen Männer zum Bahnhof hinaus.
Fünf Jahre hatte Jean LeporL in Erfurt gelebt, um ein tüchtiger Gärtner zu werden und dem Testament seiner Großmutter mütterlicherseits zu entsprechen, einer Deutschen, die ihrem Liebling für den Fall des Gehorsams ein reiches Erbe ausgesetzt hatte.
Diese deutsche Großmutter hatte in jungen Jahren ihren Bertrand Beauregard aus Paris geheiratet. Sie war sehr glücklich mit ihm gewesen, und die Fremde war ihr zur Heimat geworden — bis „der große Krieg" kam, und in seinem Gefolge die bittre Völkerfeindschaft.
Seitdem war Frau Beauregard sowenig in Paris wie in Deutschland daheim gewesen; ein scharfer Riß ging durch ihr Herz, und die unheilbare Wunde schmerzte bei der leisesten Berührung. Ungelebt konnte sie ihr Leben nicht machen, deshalb hoffte und dachte sie nichts als Versöhnung: es mußte doch wieder werden können, wie es gewesen war. Sie suchte Samenkörner der Liebe auszustreuen, aber es war eine vergebliche Saat, denn jedes begütigende Wort wurde ihr als Siegerhochmut ausgelegt. Nach und nach verstummte sie denn nnd setzte ihre Hoffnung auf die künftigen Geschlechter.
Diese Hoffnnng hatte ihren letzten Willen diktiert. Sie verpflichtete Jean zu sofortiger Abreise nach Erfurt nnd schrieb ihm den Bildungsgang der künftigen Jahre vor. Auch die Familie, in der er leben sollte — entfernte Verwandtschaft —, war genannt und unterrichtet worden.
Wenn er nur in Erfurt ist, wird er uns schon lieb gewinnen, redete sie sich vor. Seit den siebziger Jahren sagte sie wieder „uns," bis dahin hatte sie von „drüben" geredet.
Kurz vor dem Tode der ^r^nä' msrs os,xrioisuss war Jean sechzehn Jahre alt geworden. Er brannte auf das Abenteuer: Deutschland, Erfurt, die Stadt der ragenden Türme, die in den Dämmerungsgeschichten der fremden Großmutter eine spukhaft Phantastische Beleuchtung gefunden hatte, die Gärtnerei, die allezeit seine Leidenschaft gewesen war, alles das lockte mächtig, und da es eine reiche Erbschaft galt, hatte man ihn ziehn lassen, obwohl des Vaters Mutter, die Großmama Lepore, täglich aufs neue behauptete, er werde nicht wieder heimkommen, denn die Deutsche» würden ihn unauffällig vergiften: sie hätten es auf die Vernichtung der Franzosen abgesehn und betrieben sie noch heute im kleine» ebenso heftig, wie ehedem im großen.
Aber Jean fürchtete sich vor nichts in der Welt; nicht einmal vor der deutschen Sprache, von der mancher verklärende Strahl durch seine Kinderstube geflogen war, wenn Großmama Beauregard Märchen erzählte. Als ein hübscher, frischer Junge war er damals nn einem Spätnachmittag um dieselbe Zeit wie heute, in Erfurt eingefahren. Das hellbraune Haar, schlicht und dicht, sollte durchaus von der deutschen Großmutter stammen; das viel dunklere Schnnrrbärtchen, das sich erst im Schatten des Erfurter Doms entwickelte hatte und jetzt in voller wohlgepflegter Pracht die Lippen zierte, die fo gern lachten, hatte er vom Vater Leporü, und die Herzkirschenaugen