Maßgebliches und Unmaßgebliches
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straße nach links ein. Niels betrachtet sie zerstreut, und zwar mit einer unbehaglichen Erinnerung — was war es doch? — Ach ja, denkt er, auf der Kleine- Belt-Fähre, als er sich ihr wirklich einmal hatte nahern wollen, da war es gewesen, daß die Dame mit ihrem Handkoffer dazwischen getreten war; es war recht ärgerlich gewesen — aber warum stehe ich da und denke an das?
Er geht hinaus, der Chnrabcme von Nödsten halt draußen. Wie kommt denn das? Sie können ihn doch nicht jetzt mit diesem späten Nachmittagszng erwartet haben; er pflegte doch sonst immer mit dem vorhergehenden anzukommen.
Der Kutscher Per grüßt mit der Peitsche und sagt einigermaßen verwundert: Sind Sie auch da, Herr Glambäk? Ja, es ist ja auch für Sie noch Platz genug da — aber das Fräulein, ist nicht ein Fränlein mitgekommen?
Fräulein mitgekommen? fragt Niels nnd legt seinen Koffer in den Wagen, aber da kommt plötzlich Leben in Per. Halten Sie die Pferde! ruft er, fliegt wie der Wind vom Bock herunter und nähert sich, die Mütze in der Hand, jemand, der hinter Niels zum Vorschein gekommen sein muß; dieser wendet sich um und —
Himmel! Meere nnd Erde nnd aller Geschöpfe Gewimmel! — nur Shake- spearische Sprache kann hier genügen —
Da steht sie! Sie selbst!
Weißglühendes Eisen anrühren, soll, wie es heißt, dasselbe Gefühl erzeugen, wie wenn man Eis anfaßt. Als Macbeth Bancos Geist sah, hatte er sicher nicht anders ausgesehen als Niels jetzt, wo er die freudigste Überraschung seines Lebens empfand.
Per kehrt mit den Koffern des Fräuleins zurück; er sagt:
Ich habe für Exzellenz noch etwas zu besorgen, die jungen Herrschaften spazieren vielleicht derweilen ein wenig voraus?
Das sagt Per; denn wenn er auch sehr gut weiß, was sich der Herrschaft gegenüber gehört, diese beiden sind doch noch so grausam jung!
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Die Aussichten in China. Ans Schanghai. Der chinesische Hof ist nach Peking zurückgekehrt, die Gesandten sind vom Kaiser empfangen worden, und die Kaiserin-Witwe hat mit den Frauen und Kindern der verschiednen Gesandtschaften schön gethan. Sie scheint sich dabei große Mühe gegeben zn haben, es vergessen zn machen, daß sie vor anderthalb Jahren keinen Finger gerührt hat, das Leben der Frauen und Kinder aus denselben Gesandtschaften zu retten. Was wir in China doch nicht alles erleben! Es wird wohl niemand behaupten wollen, daß die Kaiserin- Witwe am wenigste« für die völkerrechtswidrigen Vorgänge des Sommers 1900 verantwortlich war. Mochte die Boxerbewegung auch einigen hohen Mandarinen über den Kopf wachsen und sie dazu zwingen, manches zu thun, was sie selbst für verkehrt hielten: die energische alte Dame auf dein Drachenthrone hat trotzdem das Heft immer in der Hand behalten, daran ist nicht zn zweifeln. Ernstlich ist ihre Schuld auch niemals bestritten worden.
Wer vor einem Jähre die letzten Vorgänge in Peking hätte voraussagen wollen, den hätte man für nicht ganz bei Sinnen erklärt. Der Aufschrei der hiesigen englischen Presse über das Geschehene ist deshalb ziemlich gerechtfertigt. Schwerlich wird man in aller Geschichte eine Parallele dazu finden, daß eine Herrscherin, die stch absichtlich außerhalb des Völkerrechts gestellt hat, so bald nachher wieder'von denselben Völkern, denen sie ins Gesicht geschlagen hat, behandelt wird, als ob nichts besondres vorgefallen sei. Gleichwohl muß man die Entrüstimg der Engländer Grmzbvten III 1902 42