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Zur Lage des Zolltarifs
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Zur Lage des Jolltarifs

zu erklären, daß fast die gesamte Rechte des Reichstags, Zentrum und Kon­servative, unausgesetzt dieses Mißtrauen als berechtigt hinstellen. Aber dieses Mißtrauen kaun bei der Entscheidung, die wir vom Handelsvertragsvereiu ver­langen, eigentlich gar uicht ins Gewicht fallen. Die Entscheidung ist ja nur unter jener Voraussetzung zu treffen. Aber den bestimmten Erklärungen der Regierungen gegenüber muß die Zweideutigkeit des Handelsvertragsvereins Mißtrauen gegen ihn und seine gegenwärtige Führung wachrufen, und dieses Mißtrauen kommt natürlich niemand mehr zu statten als den agrarischen Ultras.

An die Adresse des Handelsvertragsvereins ist ein kürzlich in Conrads Jahrbüchern erschienener Artikel hauptsächlich und mit Recht gerichtet, dem die Tagesprcsse offiziöse,: Ursprung zugeschrieben hat. Manche Wunderlichkeiten des Inhalts deuten darauf hin. In der Hauptsache könuen wir ihn aber den Adressaten nur dringend zur Beherzigung empfehlen, denn er weist in der That überzeugend und durchaus sachlich nach, daß das Nichtzustandekommen des neuen Tarifs gerade der von den verbündeten Negierungen erstrebten Kon­tinuität unsrer Handelsvertragspolitik sehr nachteilig werden würde. Der Versasser zieht für den Fall des Scheiterns der Tarifvorlage zuerst den Ge­danken einer Erneuerung der alten Handelsverträge, wie sie sind, auf längere Zeit in Betracht. Daß die Politiker des Handelsvertragsvercins diesen Aus­weg als Utopie erkennen müssen, wenn sie die Partei- nnd sonstigen Ver­hältnisse bei nns und im Ausland erwägen, unterliegt gar keinem Zweifel. Wollte der Verein seine Unterstützung einer sozialdemokratischen Obstruktion durch den Hinweis auf ihn zu rechtfertigen versuchen, so wäre das ein chita- nvser Vorwand, der ihm das Vertrauen jeder ihrer Verantwortung bewußten Negierung in jeder politischen Frage entziehn müßte. Zu zweit ist iu dem Artikel der Gedanke der einfachen Unterlassung der Kündigung der bestehenden Handelsverträge erwähnt. Daß man dazu unter Umständen für ein oder zwei Jahre als Notbehelf wird greifen müssen, ist gewiß nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber der dadurch geschaffne Zustand wäre, wenn er länger dauerte, doch gerade das Gegenteil von dem, was der Handclsvertragsverein so dringend von nnsrer Zollpolitik verlangt, das Gegenteil von langfristigen Handels­verträgen. Die Unsicherheit würde ganz unerträglich sein. Elwas mehr Sinn Hütte scheinbar das Verlangen, daß die Verhandlungen über neue Handels­verträge auf der Grundlage des alten autonomen Tarifs geführt, und die Vertrüge daraufhin abgeschlossen werden sollten. Wir haben die Notwendigkeit einer gründlichen Revision unsers alten Tarifschcmas, das in der Hauptsache Verhältnissen entspricht, die über achtzig Jahre zurückliegen, schon früher in den Grenzboten ausführlicher nachgewiesen, und zwar in voller Übereinstumnung mit den Schriften des Handelsvertragsvercins. Die Vorteile, die der neue Tarif bei den Vertragsverhandlungen unsrer Unterhändler zum Zweck der Erlangung günstigerer Bedingungen für unsre Ausfuhr bietet, sind so klar, daß sich die kaufmännisch versierten Intelligenzen des Vereins ihm ganz gewiß am wenigsten verschließen. Die vielleicht zu große Spezialisierung, und daß die Herren Konzipienten des neuen Tarifs den frommen Wunsch gehabt haben mögen, sie zu übertriebner Schntzzöllnerei auszunützen, kann daran nichts