Die ZVohnungs- und Bodenpolitik in Großberlin
299
so arg getadelte Vorortsbauordnung fällt. Von einer Wohnungsnot im Sinne der ersterwähnten konnte in ihr nicht geredet werden. Der kräftiger entwickelten Bauspekulation, an der es 1871 fehlte, ist jedenfalls, mag an ihr noch so viel zu tadeln sein, ein gewisses Verdienst dabei nicht zn bestreiten. Der starke Abfall der Zunahme in dem nächstfolgenden Jahrfünft 1890/95 ist — abgesehen von der Depression des Erwerbslebens — hauptsächlich durch die zunehmende Verwendung von Bauplätzen in der innern Stadt zu andern als zu Wohnzwecken (Citybildung) erklärt worden neben der Abnahme des noch unbebauten Geländes an der Peripherie des Weichbilds. Um so auffallender ist das starke Emporschnellen der Bevölkernngszuuahmc im letzten Jahrfünft, trotz verstärkter Citybildung und sehr verbesserter Verkehrsmittel nach den Vororten. Der ungeheure Aufschwung der industriellen Unternehmungen in der Stadt hat dazu sicher das meiste beigetragen, und der Wert, den die Arbeiterschaft noch immer ans das Wohnen nahe bei der Arbeitsstätte legt, ist dadurch wieder kräftig in Erinnerung gebracht worden. Die Folge ist in der sich jetzt, 1900/1901, nachdem schon der industrielle Abfall eingetreten ist, geltend machenden Wohnungsnot deutlich erkennbar. Die Wohnungsnot und der Wohnungswucher haben gegenwärtig, wenn auch noch lange nicht den Grad von 1871/75 erreicht, so doch seitdem den höchsten.
Berechnet man die Bcvölkerungszunahme in den verschiednen Perioden auf je ein Jahr, so ergiebt sich als Jahreswachstum für die Periode
In Prozenten hat die Vorortsbevölkerung in den letzten drei Jcchrfünften um 64,11, 61,97 und 47,03 zugenommen, also 1885/90 am stärksten, 1895/1900 am schwächsten. Das ist im Vergleich mit der Stadt Berlin ein befremdliches Verhältnis. Hoffentlich wird die weitere Bearbeitung der Volkszählungs- ergebnisfe von 1900 wertvolle Erklärungen dafür bringen. Jetzt schon bestimmte Umstände zu bezeichnen, die die.Heranziehung der Vororte zur Entlastung der Stadt Berlin in Bezug auf das Wohnungsbcdürfnis der arbeitenden Klassen gehemmt hätten, wäre verfrüht. So viel scheint sich uns aber aus dem ganzen Zahlenbilde zu ergeben, daß es hohe Zeit ist, mit der Dezcntrall- sation oder vielmehr Evakuation der Großindustrie aus Berlin und semeu Vororten ganz energisch vorzugehn. Eine neue industrielle Haussebewegung "ürdc sonst ganz unerträgliche Zustände schaffen.
Die Entwicklung der Vorstädte als Zubehör zur Großstadt hat eigentlich erst mit 1870/71 begonnen. Ende 1871 hatten die hentigen sechzehn Vororte des rechten Spreenfcrs, wie wir sehen, um wenig über 17000 Einwohner und die dreizehn des linken Spreenfers etwas über 40000; darunter die Stadt Charlottenburg über 19000. Um ein Bild von der Vorortsentwicklung zu geben, mögen'noch die Bevölkerungszahlen der sechzehn Vororte, die im De
in Berlin . . in den Vororten
1871/8S
84924 11778
188SM»
52 701 2099S
1890/95 19702 38304
189S/1SV0
42204 40944