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mindesten eine exakte Wissenschaft ist). Die Urteile nun, mit denen wir aus den einfachsten angeschauten Raumverhültnisseu die Verwickeltern ableiten und so die Mathematik aufbauen, sind nicht analytische, sondern synthetische. Das analytische Urteil ist nichts als die Auflösung eines Begriffs in seine Bestand­teile; wir erfahren daraus nichts neues, sondern machen uns nur schon ge­wußtes klar. Im gleichschenkligen Dreieck sind zwei Seiten gleich, ist eiu solches analytisches Urteil. Wenn dagegen der Lehrer sagt: In jedem Dreieck beträgt die Summe der drei Winkel zwei Rechte, so erfährt der Schüler etwas neues, denn in der Definition des Dreiecks ist diese seine Eigenschaft uicht enthalten. Hat sich der Schüler von der Wahrheit des Satzes überzeugt, so hat er zu seinem Wissen etwas neues hinzugethan: er hat ein synthetisches Urteil gefällt. Und dieses Urteil ist nicht aus der Erfahrung, etwa durch Probieren, gewonnen, sondern es ist a xriori gefällt; es geht von der inueru Anschauung aus, von der Anschanungsfvrm, die den äußern Dingen das Gesetz vorschreibt, uach dem sie sich zu ordnen haben. Wollten wir diesen Satz dnrch Probieren finden, indem wir die drei Winkel aller möglichen Dreiecke entweder in konstruktiven Zeichnungen zusammenfügten oder ihre Grad-, Miuuten-, Sekunden-, Zehntelsekundenzahlen addierten, Nur würden im Lebeil nicht fertig, denn die Zahl der Winkel, die zwischen 9 Grad und 180 Grad liegen, ist un­endlich, und alle übereinstimmende Erfahrung gewährt noch keine Gewißheit. Ein Erfahrungssatz, ans einer unzählbaren Menge einzelner Fälle abgeleitet, ist es, daß das Wasser gefriert, wenn Reaumur und Celsius Null zeigen; aber erst gestern habe ich ans dem Eise unsers Flusses eine hundert Schritt lange Wasserlache gesehen, während wir 8 Grad Reaumur unter Null hatten. Das apriorische Urteil erleidet keine Ausnahme. Was wir einmal apriorisch erkannt haben, das können wir uns nicht anders denken, nicht anders vor­stellen. Es wäre, sagt Liebmann, unglaublich thöricht, wenn sich jemand von der Wahrheit des Satzes, daß 3x3 9 ist, durch das Zusammenfügen von Steinchen, Bohnen und andern kleinen Körpern überzeugeu wollte und es für möglich hielte, es könnte wohl auch einmal 9^ herauskommen. Was einmal K xriori erkannt ist, das hat unbedingte Geltung nnd ausnahmslose Gewißheit und bedarf keiner Nachprüfung durch Probieren. Dieselbe unbedingte Herr­schaft, die wir den Geist mit seinen Anschannngsfvrmen ausüben sehen, sehen wir ihn in den logischen Operationen bewähren, die ja schon zum Aufbau der Mathematik nötig waren (Grundsätze wie: zwei Größen, die einer drittel? gleich sind, sind einander gleich, entspringen nicht der Raumanschanuug, sondern der Denknotwendigkeit), deren Wirksamkeit aber weit über die Mathematik hinaus­reicht uud zunächst mit ihr zusammen die exakten Naturwissenschaften möglich macht. Wenig kommt darauf an, ob Kant in seiner Kategorientafel die Ver­standesoperationen richtig nnd vollständig verzeichnet hat. Die Hauptsache ist, daß wir nach seiner Anleitung die Denkgesctze, darunter vor allein das der Kausalität, als etwas ursprüngliches, unveränderliches, von den Einflüssen der Außenwelt unabhängiges anerkennen, ohne das die Menschheit den dnrch die

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