Line Frühlingsfahrt nach den Abruzzen und nach Apulien
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unbeleckten Karren war unbeschreiblich lustig, wir kamen flott vorwärts, da alles überflüssige Holz und Leder fehlt, und die hohen Räder die Schnelligkeit fördern; die Luft war köstlich frisch, die farbenreiche Landschaft unendlich fesselnd, alles versetzte die Seele in frohe Schwingungen und erhob sie über das Gefühl des Alltäglichen und Kleinlichen, und dazu gesellte sich die eigentümliche Empfindung, daß man hier einmal ganz aus dem Banne unsrer heutigen auf Verwöhnung und Verweichlichung berechneten Erfindungen herausgerissen und völlig in ein jahrtausendealtes, unverändert gebliebnes Kulturleben hineinversetzt wurde. Eine feierliche Stimmung aber bemächtigte sich unser, als unser Ziel, das Hohenstaufenschloß Castello del Monte, allmählich deutlicher erkennbar wurde und seine weithin sichtbaren dunkeln Umrisse festere und klarere Gestalt annahmen. Aus hohem, nebligem Norden waren wir gekommen, um in dieser einsamen, sonnendurchglühten Landschaft dem Andenken unsers großen Kaisers zu huldigen, der einst durch seine verfehlte Politik dein Vaterlande und seiner Einheit unermeßlichen Schaden zugefügt und dennoch dank seiner alles überstrahlenden Persönlichkeit im Herzen des deutschen Volks als die Verkörperung des Neichsgedankens und als das Pfand einer bessern Zukunft fortgelebt hat, der in Verwaltung und Kunst und Wissenschaft und Volkswohlfahrt für diese süditalienischen Provinzen eine Blütezeit herbeigeführt hat, die noch jetzt allüberall die höchste Bewunderung herausfordert und fast ohnegleichen dasteht. Hier in diesem Schlosse hatte er wiederholt geweilt und von hier aus der geliebten Falkenjagd obgelegen, um Erfrischung und Erholung von den Mühen und Kämpfen seines thatenreichen Lebens zu finden. Und dann hatte sich das Blatt gewandt. Undank und Verrat hatten die Herrschaft der Hohenstaufen gestürzt, die Anjous waren an ihre Stelle getreten und hatten, um sich zu behaupten, mit unsagbarer Grausamkeit gegen die Nachkommen des gewaltigen Fürsten gewütet. Hier in Castello del Monte haben sie Friedrichs Enkel, die noch im zartesten Kindesalter stehenden Söhne Manfreds gefangen gesetzt und sie in dreiunddreißigjähriger schwerer Kerkerhaft schmachten lassen.
Die letzte Wegstrecke, von einer Cisterne ab den eigentlichen Burghügel hinauf, ist steinig und unfruchtbar, kaum das elendeste Gras entsprießt diesem Boden; nur hier und da blüht verborgen im Geröll eine Orchidee. Das Castello selbst ist ein gleichseitiges Achteck, das einen gleichartigen, achteckigen Hof umschließt.") In jede äußere Ecke ist ein achteckiger Turm hineingebaut, und zwar so, daß zwei seiner Seiten vom Hauptgebäude umschlossen werden. Den Eingang gewährt auf der Südseite ein riesiges Portal, das von Halb-
*) Eine genauere Beschreibung giebt Schultz, Denkmäler der Kunst des Mittelalters in Süditalien, 1860, 1, S, 159 ff. nebst Abbildungen; vergl. ferner den Aufsatz von Carl Frey in der Deutschen Rundschau, August IS9I, Ich erwähne hier noch, daß, wie die Kustodin versicherte, das Schloß nicht unterkellert ist, aber auf einer 4 Meter tiefen, festen Untermauerung ruht.