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Nochmals die Fürsorge für die entlassenen Strafgefangnen :
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Nochmals die Fürsorge für die entlassenen Strafgefangnen

sorge aber gedankt haben, eine ganze Anzahl rückfälliger Personen entdeckt. Bei den übrigen, die allein als Pfleglinge des Vereins anzusehen sind, konnte ich die Rückfälligkeit nnr in sehr wenigen (zehn) Fällen feststellen. Die Zahl wird aber in Wirklichkeit größer sein, da wir eine Anzahl Leute aus den Augen verloren haben. Von einem Teil der übrigen, die noch vor unsern Angen herumlaufen, läßt sich freilich nur sagen, daß sie nicht wieder bestraft worden sind, sonst lassen sie viel zu wünschen übrig. Von etwa zwanzig der Vereinspfleglingc glaube ich jedoch mit Bestimmtheit annehmen zu dürfen, daß sie, und zwar mit Hilfe des Vereins, für immer als gerettet gelten können. An einigen würde der geehrte Leser seine helle Freude habe«, zumal wenn er sie in ihrem frühern Znstande gesehen hätte. Das sind allerdings nur ungefähr fünf Prozent. Mit großen Ziffern können nicht alle Vereine arbeiten, dazu verfügen sie teilweise über allzu wenig Hilfskräfte. Wenn aber die Zahlen auch noch kleiner wären, so würde ich nicht glauben, daß Zeit, Geld und Mühe vergeblich augewandt worden wären. Die Arbeitsstellen, über die die Vereine gewöhnlich verfügen, sind allerdings im großen und ganzen sehr ein­facher Art, und sie haben, wie ich gern zugestehen will, für den tüchtigen Arbeiter, insbesondre den Mann aus bessern Ständen, vielfach nichts verlockendes. Wäre es aber anders, dann würde man uns ja den arbeitslosen unbescholtenen Arbeiter, der von unverstäudigen Philanthropen einem Zuchthäusler aufgeopfert wird, noch deut­licher vor Augen rücken. Wir haben unsre Entlassenen hauptsächlich in die landwirt­schaftlichen Betriebe, in die Kohlengruben, zum Straßen- und Kaualbau, zu Hand­werkern, einige wenige auch in die Fabriken und iu kaufmännische Geschäfte weisen können. Knechte und Mägde fanden ausnahmslos Stellen, wie man sie sich nicht besser wünschen kann, die übrigen hatten Gelegenheit, sich ehrlich ihr Brot zu ver­dienen und sich auch ein Zeugnis zn erwerben, das ihnen den Weg in eine bessere Stellung bahnte. Die Fabrikation falscher Nrbeitsatteste scheint aber in der Provinz noch nicht so schwungvoll betrieben zu werden, sonst hätten sichs einige Entlassene, die entschieden nicht skrupulös waren, viel leichter gemacht.

Wenn behauptet würde- die Vereine seien trotz redlicher Bemühung häufig uicht imstande, das zu leisten, was man von ihnen fordern könne, und was sie selber in ihren Satzungen zu leisten versprächen, so hätte ich nichts dagegen einzuwenden. Aber daß sie in zahlreichen Fällen mit Erfolg eingreifen, kann nicht bestritten werden. In einer Beziehung wird, wie ich glaube, mitunter großes geleistet, nämlich in der Pflege der Familien, deren Ernährer in Strafhaft sind. Oder rechnet man auch diese Liebesarbeit für eine Absonderlichkeit? Manchem kommt es freilich sonder­bar vor, daß die fleißigen und sparsamen die faulen und nichtsnutzigen unter ihren menschlichen Brüdern ernähren müssen, aber über diese Notwendigkeit werden wir nnn einmal nicht hinwegkommen. Manchmal läuft einem selber die Galle über, wenn man sieht, wie der Mann herumstrolcht und seine Kinder andern überläßt, und wenn es ihm selber weh thäte, möchte man die Kinder hungern und frieren lasse», aber es thut nicht ihm wehe, sondern den kleinen unschuldigen Wesen, die lediglich Mitleid verdienen und Erbarmen. Hier muß die Armenpflege das meiste thun und die Polizei. Wie ich höre, wird auch das neue Bürgerliche Gesetzbuch eine Handhabe bieten, gegen unverbesserliche Trunkenbolde mit größerer Schärfe vorzugehen. Es sieht jedoch nicht immer so traurig aus, zuweilen blutet dem Vater oder der Mutter das Herz über das, was sie angerichtet haben. Dann wieder finden wir, daß der bestrafte Teil der Ehegatten' doch nicht allein schuldig ist, souderu daß auch der andre Teil, zum Beispiel die Fran, durch Faulheit, schlechte Lebensführung und Unsauberkeil zu dem Uuglnck des Hauses sehr viel beigetragen hat.