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Der goldne Engel : Erzählung :
(Fortsetzung)
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Der goldne Engel

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die zwischen den Geschwistern stand, war die bescheidenste der bescheidnen Wirt­schaft, und sie verriet wenig vom Ausdruck seines Gesichts, so forschend Line auch hinübersah. Matt brannte sie und flackerte in dem leisen Luftzug, der durch die offne Gaugthür kam.

Ob sie zumachte? Aber da legte Karl den Löffel beiseite uud antwortete. Er brachte noch einmal breit und ausführlich dieselben Gründe wie vorhin: nm des Vaters uud seiuer Ehre willen dürfe kein halbfertiges Luftschiff aus dem Hause.

Dann schöpfte er Atem, um dasselbe noch einmal vorzutragen. Unnötiger­weise; er glaubte stark an Linens Güte, daß sie aber so schnell ihren Widerpart aufgab, wunderte ihn doch. Eigentümlich still nnd in sich zusammengesnnkcn saß sie da, und Karl schraubte die Lampe heraus, um sie besser betrachten zu können.

Sie merkte es nicht, regungslos starrte sie auf ihren Teller, der uvch nicht znr Hälfte geleert war; blaß, elend und vergrämt sah sie aus, wie der Bruder sie Weder iu den sorgeuvollsteu Jahren ihrer Jugend, noch in den letzten traurigen Tagen gesehen hatte.

War er die Ursache dieses Jammers? Wirklich, Line, sagte er in halber Verlegenheit, es geht nicht anders, ich muß. Es giebt Pflichten, die einen fest nehmen gegen Wunsch und Willen. Am besten, ich mache mich sofort daran, ich werde es ja gleich wieder haben.

Liue starrte uvch immer vor sich hin, sie wußte nichts zu antworten, es siel ihr gar nichts ein, sie sagte sich nur immer vor: Du bist Schuld daran, daß er nun auch versiukt, du hast das Modell verdorben!

Endlich raffte sie sich zusammen und sah den Brnder an. Dies liebe, frische, lebensfrohe Gesicht sollte nun auch welk und müde werden, verarbeitet von dem Unhold, der die Städels nicht aus dem Garn ließ? Und es hätte doch jetzt endlich so gut sein können!

Karl, sagte sie leise, bittend, schmeichelnd, laß dich nicht fassen! Denk an den Vater, an das graue Leben hier, an die Helle draußen, die dir so wohl gefiel. Bis jetzt weißt du uoch gnr uicht, was in Frendc daheim sein heißt ich weiß es, ich hab noch eine lichte Erinnerung an die ersten Kinderjahre, wo wir dranßen vorm Thore wohnten, und Vater von Feierabend an der Mutter und mir gehörte. Mir ist, als habe damals immer die Sonne geschienen, oder der Bratapfel im Ofen gesummt- alles hell, warm und tranlich vom Morgen bis zum Abend. Und so eine Erinnerung, Karl, die verliert man nicht, die ist wie ein unversiegbarer Kraft­quell im Herzen. Was auch nachher kam an Elend nnd Jammer, als der alte Nothnagel uns faßte, und wir hierher zogen in sein Bereich, einmal war ich doch in meinem Märchenland zu Hause gewesen. Dir, Karl, hat von klein auf das Leben schwer auf den Schultern gelegen, du hast es zu Hause immer dunkel ge­habt, du mußt deine Sonnenzelt erst noch erleben.

Unwillkürlich lauschte Karl hinunter nach dem klappernden Plätteisen in Frau Flvrkes Küche, gcmz deutlich meinte er zwischendurch eiue juuge Stimme das Tam- bourliedchen trällern zu hören.

Gleich darauf gestand er sich mit einem Seufzer den Irrtum ein, das Lächeln "ber, das kaum merklich sein Gesicht erhellt hatte, wurde von Linen anders ge­deutet. Eifrig redete sie weiter: Nicht wahr, du fühlst, daß ich recht habe? Laß uns still uud thätig noch ein Weilchen zusammen Hausen uud an nichts denken, als wie wir die Schuld abtragen. Dann, wenn wir frei sind, wanderst du in die Welt, siehst alle Schönheit, zeichnest, wonach dir das Herz steht, suchst dir ein