Zur reichsgesetzlichen Regelung des versicherungsrechts
533
und Brandschaden im „Ausland" überhaupt nicht in Betracht komme; auch Vergeßlichkeit und Mißverständnis des Agenten hindern oft die Aufnahme der wahrheitsgemäß vom Versicherten erteilten Auskunft in das Antragsformular; und schließlich gehören zuweilen auch manche Agenten der Versicherungsgesellschaften zu den Leuten, von denen das (in der Provinz Schlesien noch jetzt giltige) Patent vom 26, November 1704 sagt, daß sie „durch verbottne Kniffen ungewißenhaften Gewinn" suchen.
Das Rechtsgefühl erfordert nun, daß die Gesellschaft die gegenüber dem Agenten und die vom Agenten abgegebnen Erklärungen als von ihr und ihr gegenüber abgegeben und die vom Agenten gemachten Wahrnehmungen als von ihr selbst gemacht anerkennt; denn der Agent ist thatsächlich das Organ der Gesellschaft, und zwar das Organ, mit dem der Versicherungslustige allein in Berührung kommt; die Gesellschaft bedient sich des Agenten als ihres Gehilfen und hat daher nach gesundem Ncchtsgefühl und allgemeinen Rechtsgrundsützen die Maßnahmen und Wahrnehmungen des Agenten als verpflichtend gelten zu lassen; der Versicherungslustige kann, nachdem er dem Agenten die erforderte Auskunft wahrheitsgemäß erteilt hat, darauf vertrauen, daß dieser Angestellte der Gesellschaft das Antragsformular wahrheitsmüßig ausfüllen werde, und es trifft den ersten kein Verschulden, wenn er unter solchen Umständen die Nachprüfung des Formulars unterläßt. In der That neigte die Rechtsprechung lange Zeit zu dieser Auffassung; alsbald aber trat der oben hervorgehobne Mißstand ein, daß die Gesellschaften eine derartige dem Recht und der Billigkeit entsprechende Auslegung durch besondre Bestimmungen der „allgemeinen Bedingungen" und der Antragsformulare unmöglich machten. In die letzten wurde, um diese Folgerung zu beseitigen, die Bestimmung aufgenommen: „Die Fragen sind wahrheitsgemäß durch den Antragsteller zu beantworten, und bleibt der letztere für die Richtigkeit der Antworten und deren Vollständigkeit verantwortlich, auch wenn ein andrer deren Niederschrift für ihn bewirkt"; sowie ferner: „Ich erkläre zugleich, daß mir die allgemeinen Bedingungen der Gesellschaft für die von mir beantragte Versicherung bekannt sind und unterwerfe mich denselben." Und diese „allgemeinen Bedingungen" bestimmen nun gleichfalls: „Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der gemachten Angaben ist der Versicherungsnehmer allein verantwortlich, auch wenn dieselben von einem Vertreter der Gesellschaft oder sonst einem Dritten niedergeschrieben sind."
Zu welchen unbilligen Folgerungen diese Bestimmungen führen, zeigt ein neuerdings veröffentlichtes Urteil des Reichsgerichts: Der Versicherungslustige hatte dem Agenten der Versicherungsgesellschaft wahrheitsgemäß mitgeteilt, daß er einen Bruch habe, schon früher körperliche Verletzungen erlitten und bei einer andern Gesellschaft auch eine Unfallversicherung genommen habe; er unterschrieb sodann den unausgefüllten Fragebogen und übertrug dem Agenten die Ausfüllung; der Agent füllte die in den gedachten Richtungen gestellten Fragen