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Der goldne Engel : Erzählung :
(Fortsetzung)
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Der goldne Lngel

mamis Rechnung abstreichen könnte? Aber jetzt wollte er zu Bette gehn, ein ge­sunder Mann überlegte besser. >

Nothnagel schlurfte weiter, ins Bett aber kam er nicht, es wartete schon einer drüben auf ihn, einer, den er durchaus nicht gerne sah.

Herr Frisch hatte den Fremden abweisen wollen, Fränlein Jennys Vater gefiel ihm nicht: er sah schlecht aus und hatte sich nicht am Bändel, ganz und' gnr nicht. Wenn der Alte ini Gleichgewicht war, hielt er sich Widerwärtiges mit Ironie vom Leibe, die freilich, je mehr er sich ärgerte, um so stärker ius hämifche hinüber schillerte; kam ihm aber heute etwas in den Weg, so wurde er grob, hanebüchen grob, ohne jedes Mäntelchen. Und der Fremde, der da eigensinnig auf der Apothekenbank saß, ohne daß ihm ein Rezept das Recht dazu gegeben hätte, hatte schon einmal in diesen Tagen des Hausherrn übelste Lanne geweckt.

Ich warte, wehrte er freundlich ab, ich habe Zeit! Frisch mochte sagen und vorschlagen, was er wollte.

Als Nothnagel keuchend zurückkam, wurde er von der Botschaft empfangen, draußen säße eiuer und wäre nicht fortzubringen. Er stöhnte, ging aber in seine Arbeitsstube. Jetzt im Bett liegen als Beute all der häßlichen Gedanken, die dieser Tag in ihm aufgescheucht hatte, war auch kein Feierabend. Vielleicht löste ein leichter Ärger den schlimmern ab.

Dabei schalt er aber doch: Man ist immer ein Opfer eurer Ungeschicklichkeit. Dn habt ihr einen nobeln Bettler nicht zur Thür hinausgebracht, nnn kann ich so gnt sein. Sagen Sie kein Wort, Frisch, es ist so. Lassen Sie ihn herein und bleiben Sie drüben zur Hand, damit man im Nothfall doppelt die Thür weisen kann.

Also ließ der junge Mann den Fremden ein und horchte nach seines Herrn Stube, soweit ihm das die Rezepte uud die altmodisch starke Mauer erlaubte».

Zunächst ging es drüben sehr lebhaft zn: Vorwürfe, Abwehr und Meinungs­verschiedenheit. Der Fremde schien noch gröber zn sein als der Hausherr, dessen Rede eher so klang, als wolle er sich mit neun heiligen Eiden gegen die Vorwürfe des Fremden verwahren.

Später verstummte Nothnagel völlig, der andre redete allein weiter, viel ruhiger und sehr lange, als halte er eine Parlamentsrede, von deren Erfolg er im tiefsten Innern überzeugt sei.

Doch wohl nur vornehme Bettelei, dachte Herr Frisch, ich hoffe, der Herr ist zäh; es wäre schade, wenn er seinen hübschen Besitz unnötig verkürzte. Er über­legte eben, ob er nicht geradezu horchen und im kritischen Augenblick dazwischen treten solle der letzte Kunde stieg endlich die Treppe hinab. Aber diese behag­liche Leere lockte auch Fräulein Jenny an. Erst steckte sie ihren lockigen Scheitel durch die Thür, dann kam sie lächelnd und zögernd bis zur Wage, um die es nach Nelkenöl duftete.

Wer ist eigentlich drin? Vater müßte wieder ins Bett.

Herr Frisch kam viel näher an die hübsche Jennh heran, als zum Antworten nötig war, ganz dicht an ihrem Ohr flüsterte er: Der Vater nannte ihn Amrei.

Amrei? Jenny trat ein paar Schritte seitwärts, aus Herrn Frischs nächster Nähe heraus. Ach ja, ich entsinne mich: das ist auch ein Luftschiffer.

O weh! wissen Sie was, Fräulein Jenny? Ich wollte, wir wären das Luftschiff los, sagte der Provisor, drei Schritte von ihr entfernt, wie sie es ange­ordnet hatte.

Wir? Ein spitzbübisches Mttdchengesicht wandte sich mit Hellem Staunen zu ihm hin.