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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Borliebe für Frankreich, für die Franzosen und für ihre Sprache. Der Ton, den die Bnsler Nachrichten anschlagen, indem sie vonAnmaßung" usw. sprechen, ist ganz unangebracht gegenüber dem Deutschen Reiche, dem die Schweiz viel zu danken hat nicht nur in politischer Hinsicht, sondern auch iu Bezug auf Handel und Verkehr, und von dem sie nichts zu fürchte» hat. Ob sich das ohne weiteres auch vom westlichen Nachbar sageu läßt, bleibe dahingestellt. Wie gerechtfertigt der Wnnsch ist, daß die schweizerische Empfindlichkeit nicht gnr zu unverblümten Aus­druck in der Presse finden möchte, hat sich in den letzten Tagen wieder gezeigt, als dasselbe Basler Blatt die Reichstagsrede vr. Liebers besprach, der die Schweiz als ein Land bezeichnet,in dem Königs- und Frnnenmvrder frei umherlaufen." Wir sind die ersten, die solchen Unsinn, der seine Erklärung nur in der augen­blicklichen Erregtheit des Jesuitenführers finden kann, ans das schärfste verurteilen, und können die Empörnng der Schweizer über diese taktlose Änßernug, die keine Entgegnung fand, vollständig versteh», aber die Basler Nachrichten hätten wohl besser gethan, den Nachsatz wegzulassen. Wir glauben, daß eine solche Drohung nach keiner Seite hin Eindruck macht.

Wir könneil es uns nicht versagen, als Abschluß dieser kurzen Betrachtung ans den Brief hinzuweisen, den Jnkob Bnrckhardt, der berühmte Basler Gelehrte, am 30. Dezember 1841 aus Berlin an Gottfried Kinkel richtete.») Er schreibt darin- . . . Ich weiß jetzt, wie alles gekommen ist; ich erkenne die Mntterarme unsers großen gemeinsamen deutschen Vaterlandes, das ich erfolglos verspottete nnd zurückstieß, wie fast alle meine schweizerischen Landslente zu thun pflegen. Deutschland läßt sie auch meist wieder laufen, ohne ihnen von seiner Eigentümlichkeit und seiner Erhabenheit etwas mitgeteilt zu habe»; auf mich hat es seine Güter ausgeschüttet uud mich an sein warmes Mutterherz gezogen. Und daran will ich mein Leben setzen, den Schweizern zu zeigen, daß sie Deutsche sind."

Obgleich dies beinahe sechzig Jahre her ist, so hat es heute noch seine volle Berechtigung, nnd es wäre gut, wenn sich alle Schweizer dessen immer bewußt wäre».

Zwei- oder dreijährige Dienstzeit? Am 1. April 1399 wird der ans fünf Jahre berechnete Zeitraum abgelaufen sein, worin die zweijährige Dienstzeit bei den Fnßtrnppen des deutschen Heeres erprobt werden sollte, und der Reichstag wird noch einmal die Frage gründlich zu beurteilen haben, ob der Versuch als gelungen zu betrachten ist und somit die kürzere Dienstzeit gesetzlich festgelegt werden kann oder nicht. Gewiß giebt es wichtigere Dinge im öffentlichen Leben, Fragen von tieferer Bedeutung, die der Lösung harren, aber da trotz aller Abrüstungsvorschläge uud Friedensversichernugcn im letzten Grunde doch auf der Armee die Sicherheit unsers Staatswesens beruht, so lohnt es sich wohl, die Auf­merksamkeit auf diese für die Leistungsfähigkeit der Armee so folgenschwere Ange­legenheit zu richten, und es darf nicht wunder nehmeu, daß sie schon jetzt in der Tagespresse der Gegenstand eifriger Erörterung ist. Ein Fehler freilich ist es, wenn dn, wie es meist geschieht, die Frage lediglich vom einseitigen Parteistand­punkt ans behandelt wird, während man doch vor allem sachlich urteilen uud die Vor- und die Nachteile der beiden Formen sorgsam gegen einander abwögen sollte.

Zu Gunsten der dreijährigen Dienstzeit sprechen vor allem die außerordent­lichen Erfolge, die wir in unsern drei großen Kriegen damit gehabt haben; man

«) Deutsche Revue, Januarheft 1809, Meyer-Kriimer, Jnkob Bnrckhardt und Gottfried Kinkel. Grenzboten I 1899 57