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Der goldene Engel : Erzählung :
(Fortsetzung)
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Der goldne Lngel

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Karl sah von Linen auf den Vater, vom Vater auf Linen, sah zur offnen Küchenthür hinaus, durch die man den Ballonreifen gegen den Abendhimmel sehen konnte.

Freilich wars günstig, aber da draußen stand seines Vaters Lebenswerk. Mußte er nicht dabei sein, wenn das zum Abschluß kam?

Ja Line, sagte er schnell, um den Zwiespalt los zu werden. Aber ich denke, es läuft mir nicht davon.

Du könntest zum Aufstieg auf einen Urlaub herkommen, redete Line weiter zu, aber matt, es wurde ihr gar zu schwer. Herr Wendelin würde dirs nicht ver­weigern.

Der Vater brummte, Karl sagte: Natürlich nicht. Aber ein Urlaub hat Anfang und Ende, es könnte sich mit dem Aufstieg etwas verschieben, ich müßte um mehr schreiben, und sie hätten sich mit der Arbeit so eingerichtet, daß das nicht ginge. Nein nein. Es ist auch keine Gefahr dabei, Line, was ich heute kaun, kann ich auch übers Jahr. Ich habe das Zutrauen, daß ich so einen Platz wie den gebotueu jederzeit fände; ja ich meine sogar, einen Teil der Entwürfe ließe mich Wendeliu hier machen, wenn er nur merkt, 's ist mir ernst mit dem zu Hause bleiben. Wir wärs, wenn ich am dritten Feiertag zurückführe und mich so schnell als möglich freimachte.

Bravo, rief der Vater, bravo! das heißt wie ein Sohn gesprochen! Und du wirst dabei sein, wenn wir zum erstenmal steigen, du wirst! Sollte auch Wendelin deine Abreise hinauszögern, wir warten auf dich. -

Lines stumme, das ganze Gesicht erleuchtende Freude rührte den Bruder am meisten.

K

Ackermanns Schmiede hatte wieder ihr gewöhnliches Aussehen: im Hof flatterte Wäsche, die fünf Jungen verführten ihren Bubeulärm Fräulein Line hörte ihn kanm. Seit das Gespenst, Gestalt geworden, in der großen Scheuer stand, konnte sie nichts andres mehr denken als den Aufstieg.

Würde er glücken, würde der goldne Engel gehorchen, wie noch niemals einer seinesgleichen gehorcht hatte?

Die Gndrun des alten Professors,das Lied der Geduld und Treue," lag vernachlässigt neben Bibel und Bilderfaust. Was kümmerte Linen jetzt Glück und Leid dieser allzeit jungen Menschenkinder, die sich so gesund und kräftig mit ihrem Schicksal herumschlugen, mochte es auch sieben und aber sieben Jahre währen. Sie holte sich heimlich Buch für Buch aus des Vaters Sammlung nnd las in die Nächte hinein von den schauerlichen Fahrten, die fast allesamt mit Sturz und Tod geendet hatten, las von Wind und Wetter, Feuer uud Wasser, die dem Menschen gleichermaßen Verderben sannen, sowie er den schützenden Grund seiner heimischen Erde verließ. Auch quälte sie, daß der Ballon ihrer Aufsicht eutrückt war, daß sie nicht mehr rechnen konnte, was neuesin den Wind gejagt" wurde; sie schätzte nur so ungefähr, daß die Hunderttausend verbraucht sein müßten. Der Lotteriebote kam wieder ius Haus aber um Geld zu holen. Der alte Städel konnte einen neuen Gewinn brauchen.

Nur mit Karl ging alles nach Wunsch; in der sichern Erwartung, der jnnge Manu werde den Kleinkram zu Hause bald satt haben, ließ Meister Wendelin ihn schon um Johanni frei. Kopf nnd Herz voll von den auszuführenden Arbeiten, kam Karl au uud wurde vom Vater sofort eiugespounen in das, wofür man im Bereiche des goldnen Engels allein leben durfte.