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Der goldene Engel :
(Fortsetzung)
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Der goldne Lngel

Da kam Frau Flörke angefegt und redete mit den Händen so .eifrig wie mit dem Munde.

Nicht wahr? Grvsz genug, und wird ein nettes Mädchen: sie kann abreise«. Denn das mit der Pate, das lohnt sich, so was wie erben soll das Ding. Ja ja, guckt nur allezusammen.

Sie guckten aber gar nicht, kaum Meister Ackermmm hörte zu; Nettchen wünschte Karl eben das Haus voll Glück, nud als die beiden neben einander standen, dachte Line mit einem Gefühl wie Aufatmen: Vielleicht erbt sie wirklich etwas! uud eiue schnelle Folge von Bildern ging an ihr vorüber: wie es sein werde, wenn etwas Geld ins Haus käme.

Gleich darauf schob sie das beiseite; sie hatte keiue Zeit zum Träumen, sie mußte ja den Bruder hinausbringen aus der schweren Lnft, die ihn am Wachsen und Werden hinderte, mußte ihn lehren sein eignes Leben zu lebeu, gegen seinen Willen, ihr selbst zum Leid; aber sie mußte, sie hatte ihn gehegt von klein auf wie ein leibliches Kind, und der Instinkt der Mutterliebe war ihr ins Herz hinein­gewachsen.

Aber sie war gewohnt, hart mit sich zu sein, mochte ihr Herz noch so .viel bedrücken. Während sie den Gästen das Abendbrot bot, lächelte sie und sprach wie sonst; lachte auch ein und das andre mal leise, obgleich sie vor ihrem eignen Lachen erschrak, sagte auch Charles, obwohl ihr zu Mute war, als müsse sie dabei eigentlich allemal drei Kreuze schlage».

Nur einmal ging ihr die Selbstbeherrschung aus. Das war in der Werkstatt, wo sie bei dem Fäßchen saßen, und plötzlich der alte Nothnagel mit seiner Jenny über den Holzgang hereinkam.

Guten Abend, sagte der Alte, die Nachbarschaft wünscht Glück auf daß wir bald fliegen, natürlich! ans daß Sie uns ordentlich helfen, natürlich! uud sonst noch was Gutes extra vom Tisch, auf dem das Lebeu seine Raritäten aufbaut.

Nothuagel brachte ein Lachen fertig, das den Mund beinah von Ohr zu Ohr zog, und Jenny überreichte dem Mündigen einen Rosenstrauß.

Ich wünsch dem Herrn Nachbar Glück auf eine schöne Rosenzeit. Dabei machte sie ein paar Augen, daß das Ding sie starr ansah.

Linen aber stiegs heiß ins Gesicht uud bitter den Hals herauf; sie mußte schlucken und schlucken, daß sie deu ungebetnen Gästen nicht ihre bittersten Worte vorsetzte, denn das durfte ja nicht seiu, weun der Karl gehn sollte.

Sie bezwäng sich, sagte Guten Abend, schenkte ein, lächelte uud redete wie vorher; nur das Lachen ließ sich nicht mehr erzwingen.

Am andern Morgen kam der Lohn. Karl trat in ihr Zimmer und sagte: Gieb mir den Brief noch mal, du hast doch wohl Recht, es ist gut, weun einer sich die Welt einmal ansieht ich hab mit dem Vater geredet.

Linen kamen die Thränen in die Augen, sie faltete die Hnnde und sagte leise: Gott sei Dank, du kommst dem Gespenst ans den Krallen.

Nicht mehr Gespenst sagen! bat er, kühn gemacht durch ihre Nachgiebigkeit.

Soll ichs den goldnen Engel nennen?

Er merkte die Bitterkeit gar nicht, die dies fragte. Thus, antwortete er heiter, vielleicht bringt uns der Name Glück.

Ein paar Stuudeu später reiste Nett lacheudeu Mundes und thränenden Auges mit ihrem kleinen Koffer ab. In der Rechten trug sie eine Bohnenblüte etwas mußte man doch mitnehmen aus dem lieben alten Kegelschub.