Litterarische Rücksichtslosigkeiten eines Hagestolzen
ein Freund Gerfried Hitzig hnt ei» Amt, mit dem ein Titel von sieben Silben nnd soviel Gehalt verbunden ist, wie er als Junggeselle braucht. Seine Liebe z» den amtlichen Geschäften entspricht seinem Range; tiefer geht die Liebe zur schönen Litteratur. Wenn ihm ein freier Tag geschenkt wird, so finde ich die etwas kurz ge- rntne Gestalt auf das Sofa hingestreckt, in der Hand einen seiner Lieblingsschriftsteller, wozu der kritische und wählerische Mann sehr wenige ernennt.
Ein ungestümes Temperament ist allen Hitzigs eigen. In dieser Selbsterkenntnis gab ihm sein Alter in der heiligen Taufe den Namen Gerfried. Das sollte der Wegweiser sein, seinen natürlichen Charakter zn formen nnd zu besser«. Der wohlgerüstete Kampfer, der in dem Bewußtsein seiner Stärke den Frieden liebt nnd Pflegt, war das Ideal, dem sein Sohn dereinst ans seinem Lebenswege zustreben sollte.
Welche Entwicklung Gerfried genommen haben würde, wenn ihm der Vater diesen Fingerzeig nicht erteilt, ihn dielleicht gar auf den Namen „Gerbald" getauft hätte, das gehört dem Gebiet der freien Vermntnng an. Ich kann nur feststellen, daß der Gerfried den Hitzig nicht überwuchert hat, daß die Vorbedeutung des Taufnamens nicht stark genng gewesen ist, ihn der Gemeinde der Friedseligen ganz einzuverleiben, denn auch in dem Wesen dieses Hitzig liegt etwas von der alten Uuerbittlichkeit und Rücksichtslosigkeit. Und bei Gerfried ist sie ganz besonders gegen das Geschlecht der Weiber gerichtet. Das Geheimnis der Frauenseele ist für ihn siebenfach versiegelt, znmal über die Litteratur seiner Menschenschwestern urteilt er abfällig, und von dem Weib an sich hält er nicht viel. Das heißt: dies alles so in tnssi und im allgemeinen. Im Einzelfall ist er zn Zugeständnissen geneigt. Vor seiner Schwester Elsa, einer lieben, alle» Familienüberliefernngen zuwider weichherzige» alte» Jmigfer, die ihm den Hausstand führt, hegt er sogar eine unbegrenzte Hochachtung.
Es wnr vor Jahren an einein Fastnachtsmittwoch. Die Sitzung ist ausgefallen, also liegt Gerfried auf dem Sofa und liest — so dachte ich und beschloß, mit ihm über seinen neusten Liebling zn plaudern. Aber Gerfried lag nicht auf dem Sofa, er ging mit einer gewissen Erregung in seiner Stube auf nnd ab, ein zerknülltes Zeitnngsblatt in den kleinen, wohlgenährten Händen.
Und er machte mich zum Mitwisser seines Unmuts. Du kennst meine Grundsätze, sagte er, niemals lese ich Zeitnngsgeschichten unter dem Strich. Muß mich der Böse verführen, heute eine Ausnahme zu machen, als mir Elsa zn dem Morgenkaffee die üblichen Heißewecken des Aschermittwochs nnd die Morgenzeitnng auf den Tisch legt. Die Heißewecken habe ich ganz gnt vertragen, an der Geschichte aber habe ich mir den Magen verdorben.
Heftig schlug er auf das arme Blatt —