Litteratur
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Z. B. die sichere und geschickte Art, wie er noch nicht spruchreife Streitfragen, zumal solche, die eine überweise Haarspalterei zu übertriebner Bedeutung aufgebauscht hat, beiseite schiebt, um nicht die feststehenden Umrisse einer künstlerischen Persönlichkeit unnötig ins Schwanken zu bringen und dadurch undeutlich zu machen. Daß cr auch in manchen Eiuzelfrngen einen selbständigen Standpunkt einnimmt, haben wir schon gesagt. Im zweiten Bändchen ist uns nach dieser Richtung besonders seine Stellung zn Crcmach aufgefallen, dem man in neuerer Zeit wieder einen höhern Rang anzuweisen bemüht ist. Philippi vertritt dagegen mit Entschiedenheit die Meinung, daß Matthias Grünewald in jeder Hinsicht bedeutender, Hans Waldung wenigstens viel interessanter war, und daß Crcmach seinen Ruf nicht seiner künstlerischen Bedeutung, sondern seinem langen Leben, seiner Fruchtbarkeit und seinem Verhältnis zur Reformation verdankt, und an dieser Meinung wird schwerlich auch die große Cranachausstellung, die man in Dresden vorbereitet, etwas ändern.
Dieselbe weise Überlegung, die den Verfasser bei der Begrenzung und Ordnung des Stoffes geleitet hat, erkennen wir auch in der Wahl der Abbildungen. Man merkt es auf Schritt und Tritt, daß nicht zuerst die Abbildungen — etwa »ach dem Vorrat des Verlegers — vorhanden gewesen sind, nnd ihnen der Text angepaßt worden ist, sondern daß Bilder, Text und Abbildungen von vornherein als ein organisches Ganzes gedacht und darnach gestaltet worden sind. Dabei wird aber niemand etwas vermissen, was ihm von deutscher Kunst in Malerei nnd Plastik schon lieb uud vertraut geworden ist. A. R.
Der Landsknecht von Cochem. Ein Sang von der Mosel von Julius Wolff. Berlin, G- Grotesche Verlagsbuchhandlung, 18W
Der litterarische Weihnachtstisch ist ja für viele unvollständig, wenn nicht mich ein Bttndchen von Jnlius Wolff darauf gelegt werden kann, nnd es ist gnt. daß es noch fo ist besonders sür die jungen Mädchen und für die Frauen, denen Wolfs nnn einmal ans Herz gewachsen ist. nnd denen die „Modernen." die Wolff so bitter hassen, noch nichts Besseres bieten konnten. Kein andrer hat Wolff bisher aus seiner bevorzugten Stellung ans die Dauer verdrängen können, und darum hat es ihm mich nicht viel geschadet, wenn er einmal etwas Schwächeres oder "uch etwas ganz Schwaches zu Tage brachte. Eiue gewisse Entschädigung bot dann immer der leichte, gefällige Fluß seiner Verse, die Gewandtheit seiner Reime, die ihm in solcher Fülle zuströmten, daß er sich ihrer kcmm zu erwehren vermochte und das Bild, das er gestalten wollte, im Redeschwall fast zerfloß. Dazu kamen dann noch hie eingcflochtenen Lieder, in denen er oft einen warmen, echten, bisweilen sogar einen Volkslicdton zu treffen wußte. Diese Gabe hat ihn bis heute nicht verlassen. Auch in dem „Landsknecht von Cochem" fließen die Verse noch leicht nnd munter dahin, sodaß der Leser sich von diesem Flusse trage» läßt, auch wenn ll)u die Geschichte uud die darin cmstreteuden Gestalten, mit Ausnahme etwa des »lten Landsknechts, nicht übermäßig fesseln. Erfindung nnd Charakteristik waren niemals Wolffs starke Seiten, nnd damit ist es mit seinem wachsenden Alter nicht besser geworden. Sonst schwellt sein Herz alnr noch die alte jugendliche Lust am Genuß, die sich hier besonders in dem Preise der Schönheit des Mosellandes und ^r Mein seines Weines knndgiebt. Das Lob des Weines und die Freude an ""cm gute» Truuk haben neben der Minne in Wolffs Dichtungen immer eine große Rolle gespielt. Hier treten sie vollends in den Vordergrund, uud über dem Lob der Tilgenden, das ein feiner Kenner jedwedem Gewächse der Rebengelände "n der Mosel nachredet, vergißt der Leser bisweilen an einer länger» Haltestation ""f der Moselreise nach den Schicksalen des alten Landsknechts aus der Zeit Karls V.