Südlich den Beruf gefunden
achdem der Entschluß, den geistlichen Rock auszuziehen, gefaßt war,'") mußte, zunächst um den Lebensunterhalt zu erwerben, ein neuer Beruf gewählt werden. Die Wahl fiel nicht schwer, denn es giebt nur zwei Berufe, für die ich tauge, den des akademischen Lehrers und den des Publizisten, und da es für den ersten zu spät war, so blieb nur der zweite übrig. Statt zu definiren: Zeitungsschreiber sind Leute, die ihren Beruf verfehlt haben, würde man in vielen Fällen richtiger sagen: Leute, die ihren Beruf erst spät gefunden haben. Seitdem Zeitungen und Zeitschriften ein allgemeines Bedürfnis und überaus zahlreich geworden sind, können Leute, die nicht bloß im Nebenberuf für Zeitungen schreiben, und solche, die die Auswahl und das Znsammenstellen der Beiträge besorgen, nicht mehr entbehrt werden; die Zeitungsschreibers ist daher ein Beruf wie andre Berufe, und jetzt giebt es ja auch schon genug junge Leute, die sich ihr vom Gymnasium weg, vielleicht wird man bald sagen dürfen, von der Volksschulbank weg widmen. Ob der Umweg über einen andern Beruf, in dessen Ausübung man einige Jahrzehnte lang ein gewisses Maß von Kenntnissen und Erfahrungen sammelt, besonders vorteilhaft ist, darf billig bezweifelt werden. Ich kenne zwei Brüder, die eine schlechte Dorfschule besucht haben, dann zu einein Buchdrucker in die Lehre gekommen sind, als Lehrlinge Theaterkritiken geschrieben haben und nach Beendigung ihrer Lehrzeit in kleine Redaktionen als Gehilfen eingetreten sind. Jetzt haben sie beide (im Alter von 30 und 24 Jahren) auskömmliche „Chefredakteur"stellen in ansehnlichen Provinzialstädten. Und sie machen ihre Sache bedeutend besser, als ich meine gemacht habe. Der ältere hat eine Leitartikelserie bei zweihundert Blättern abgesetzt; ich würde, wenn ich mit meinen Leitartikeln Hansiren gegangen wäre, aus zweihundert Redaktionen hinausgeworfen worden sein.
An Gelegenheit zur Vorbildung für den Zeitungsschreiberberuf fehlte es mir auch in der geistlichen Stellung in Neisse nicht. Es giebt hier zwei Blätter: ein Zentrumsorgan, die Neisser Zeitung, die täglich, und ein Organ dcr „liberalen" Partei, das dreimal in der Woche erscheint. Damals kam die
*) Siehe den Artikel „Religionsunterricht" im 30., Zl, und 32. Heft,