Mdaskinder
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einer Entrüstimg über Bettlcr brachte, die ihn bei dem dritten Begegnen entweder gar nicht oder sehr vertraulich grüßten. Er salntirte allen Fremden mit einem wilden Blick, er hob Bäuerinnen den zn schweren Korb auf den Kopf und bemühte sich überhaupt nach jeder Seite hin um die Hebung Haßlachs.
Viktor richtete die Empfehlung seiner Hausfrau an den Schrecklichen aus, ohne zu lächeln, und Herr Belloff fuhr sofort in die Dicnstbereitschaft hinein und zeigte Viktor den Weg nach der Mädchenschule, die in seinem Revier lag, denn Viktor hatte ihm gegenüber den Mut gehabt, sei» ausschließliches Interesse am Mädchen- schulwesen zu bekennen. Auf dem Wege zur Seevogelschulc hörte er nun, daß dort ein Oberlehrer das Regiment führe, ein alter Herr, etwas bequem, aber die Leute konnten mit ihm reden. Viktor warf mit einiger Befangenheit die Frage ein, ob auch Lehreriuuen an der Schule beschäftigt seieu? — Und ob! fünfzehn! Da ist die Fräulein Grundemann, die Fräuleiu Bertram —- wissen Sie, die Bierbraners- tochter aus dem „Stvrchennest," das Bier war recht gut, solange der Alte lebte, ja, und die Fräulein Fricdlein. — Wohl alle schon ältere Damen, fragte Viktor geschäftlich, als ob er Agent einer Lebensversichcrungsgesellschaft wäre. — Ja ja, die meisten, aber es sind auch ganz junge da, neulich ist erst eine angestellt worden, die so neunzehn oder zwanzig Jahre alt ist — Viktor stand der Atem still, hier war die Gesuchte! — das Fräulein Krisch, fuhr Belloff fort, Kathariue Krisch, eine überstudirte Person! Viktor atmete auf, nein, die edle Namenlose, die er suchte, war nicht diese überstndirte junge Dame, Belloff hätte von der Gesuchten anders geredet.
Inzwischen war der „Altmarkt," au dem die Seevogelschule lag, erreicht worden, und Viktor fühlte sich sehr erleichtert, als sich der Mann der öffentlichen Sicherheit sofort verabschiedete. Es ist Markttag, und der Belloff gehört auf seinen Posten, sagte er mit einem Gesichte wie der Kinderfresser des Märchens; aber wenn Sie mich wieder nötig haben, der Belloff ist immer da!
So begann Viktor seine Jagd nach dem Glück.
Wenn er fünf Tage später, nachdem er an fünf Mädchenschulen und zwei Instituten um acht Uhr und um zwölf Uhr, um zwei Uhr und um vier Uhr gelauert hatte, deu Gewiun dieser rastlosen und völlig erfolglosen Wanderungen und Belagerungen aufgezeichnet hätte, so hätte er aufschreiben müssen, daß ihn vom Mittag des ersten Belagerungstages au sämtliche Polizeidiener grüßten, und wenn er nur ein altes Haus irgendwo bewundernd anschaute, gewiß ein Wohlbeleibter in dunkler Uniform mit blauem Kragen und mit einem Säbel bewaffnet ans ihn zukam und sagte: Herr Hofgnrtenassisteut werden entschuldigen, das ist kein Schnlhans! — daß weiter Belloff die Augen fürchterlich rollte, so oft er seiner ansichtig wurde, und damit das höchste Maß der Bereitwilligkeit ausdrückte, den Mieter der Frau Schwendeli Witwe in allen gerechten Unternehmungen zu fördern.
Viktor prägte sich ferner unauslöschlich ein, wie alle Wallfahrten nach und von allen Mädchenschulen der Welt beschaffen find. Auf dem Hinwege kam die Jugend reihenweise mit etwas raschem Schritt, es ward gesprochen, aber nicht eigentlich laut, Köpfchen wurden gedreht, und Zöpfe flogen je nach der Drehung über die rechte oder über die linke Schulter, aber die Drehung hatte nichts aufgeregtes; Schulmappen wurden geschlenkert; beliebte Lehrer tauchten auf und hatten rechts nnd links znthuuliche und beglückte Kiuder; Lehrer kamen, die nichts vom Patriarchen hatten, wandelnde Ausrnfnngszeichen, sie legten einsam den Schulweg zum zchntanscndstenmnle zurück uud bedachten alle Gehaltsverhnltnisse nnd deren Aussichten unter dem nenen Stadtregiment; Schulthore thateu sich auf, und gedämpfte