Mdciskinder
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alleiu. Wie sie auf dem grünbewachseneu Waldwege dahinging, war es ihm, als ginge seine herrlichste Gedankenwelt zu holdseliger Gestalt geworden vor ihm her. Ernst, Demut, Kraft, Sehnsucht, Glaube und Anbetung war, in liebliche Jugend verklärt, erschienen uud zog ihn in geheimnisvolle Gründe, wo das nicht war uud wohnte, was die Welt beherrscht uud unglücklich macht. Ein Gefühl des Glücks überströmte ihn; dies Glück sollte kein Ende nehmen, weiter wollte er gehen, das Edle vor Angcn, bis sein Herz einst still stünde. In diese Gedanken nickten Tannen hinein, Buchen kamen dann, auch sie eines Sinnes mit Viktor, die Welt mit glänzenden Blättern, mit Faltern, mit Vögeln, die herniederflatterten, war ein bestätigendes Echo seiner Gedanken.
Darüber aber war sein Schritt zn rasch und zu laut geworden. Die Unbekannte hatte aufaugs gar nicht bemerkt, daß sie auf dem schon mehrfach von ihr gegcmgeucn Pfade nicht allein sei, und also auch nicht geahnt, daß sie für einen ungesehene» Begleiter eine Summe herrlicher Gedanken sei, ein heiliger Trnum — dann vernahm sie Schritte und achtete ihrer nicht, endlich aber suhlte sie, mehr als sie es beobachtete, wie sich das Tempo der fremden Schritte änderte, und uuu ward ihr die Waldeinsamkeit bewußt, uud Unruhe legte sich auf ihr junges Gemüt, endlich eine unbestimmte Angst. Uud dies erkannte Viktor: er sah, daß die Fremde die Handschuhe auszog, sie rasch wieder anlegte und dann den linken Handschuh abermals abzog uud den Sonnenschirm unruhig bald in den einen Arm legte, bald in den andern, er verstand diese Zeichen und sorgte dafür, daß ihn rasche Schritte au die Seite des jungen Mädchens brachten und ein einfacher, freundlicher Gruß ihr zeigte, daß ihr ein guter Mensch begegnet sei.
Feine, ebenmäßige, belebte Züge, ein braunes Auge mit warmem, tiefem und offnem Blicke hatten sich zu ihm gewandt, und in der kurzen Zeit, die er noch mit der Fremden wandern durste, kvuute er sich auch überzeuge«, daß dieser warme Blick etwas sonniges haben konnte, ein aufblitzendes, freudiges Leben, das aus einem lebendigen Frauengemüt quoll. Dies sonnige Aufleuchten war nun allerdings nicht Viktors erster Beredsamkeit zu verdaukeu, deuu er verfiel iu dem Gespräch, das sich nun so im Dahingehen entspann, zunächst auf Gegenstände, die er seinem vertrautesten Mitwisser, dem viel und hastig beschriebnen Notizbuche um keinen Preis anvertraut hätte, weil ihn dann das Notizbuch vielleicht für jünger gehalten hätte, als er war. Nein, die Frage seiner schönen jungen Begleiterin, wohin er wandre, brachte die Erlösung. Er bekannte, daß er den „nassen Winkel" aufsuchen wolle, der Name sei ihm zugleich häßlich und geheimnisvoll anziehend erschienen. Dann sind sie wohl ein Poet? denn allen andern Menschenkindern klingt er abstoßend, sagte die Fremde mit einem fröhlichen Blick, der den Jüngling mit einem gewissen tieferen Anteil streifte. Viktor sagte nicht ja, aber er sagte auch nicht neiu; er gestnud, daß ihm etwas vorschwebe, das er gestalten müsse; ihr rascher, fragender Blick entlockte ihm den Titel jenes Etwas, er sagte verlegen, als zöge er den Schleier vor dem verborgnen Wunder zurück: er »volle über die Midaskinder schreiben.
Ah, sagte die Fremde, ich ahne, wo das hinausgeht, das sind die Unglücklichen, die nur das lieben, was ihneu zum Mittel ihrer selbstsüchtigen Zwecke dienen kann, und für deren Unersättlichkeit sich die ganze Welt in ein System ihrer Zwecke verwandelt. Wir kennen solche Menschen, die Eltern und ich. Die letzten Worte sprach sie erregt. Viktor sah seine Begleiterin betroffen an; an diese Seite der Midasvor-stclluug hatte er nicht gedacht, aber er verfolgte sie raschen Blickes, doch konnte er sich nicht enthalten, zunächst zu sageu: Sie leimen also die Midassagc?