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Der Zusammenhang von äußerer und innerer Politik
vollzogen hat, und welche innern Stnlkturveränderuugeu ans dieser Anpassung hervorgegangen sind. Im Nahmen eines Aufsatzes kann dabei nur von einer Skizze die Rede sein.
Zu Beginn der geschichtlichen Überlieferung ist die deutsche Heeres- und Staatsverfassung der nach Geschlechtern geordnete Heerbann. Noch ohne ein eigentliches Vaterland besteht der Staat aus eiuer im wesentlichen militärischen Gliederung des Volks. Nach dessen Seßhaftwerden auf bestimmter Scholle treteu wirtschaftliche Sorgen dringender in den Vordergrund, der allgemeine Heeresdienst wird zu eiuer Plage, der man sich entzieht, wenn nicht eine besondre Vergütung dafür gemährt wird. Häufige innere Kriege zwischen Parteien, sowie Kriege in größerer Entfernung von den Landesgrenzen veraulasfen eine Änderung der Kriegsverfassung. Statt des sich langsam zersetzenden Heerbannes übernehmen die Vasallen mit ihren Hintersassen nnd Dienstmannen die Last, aber auch den Lohn des Kriegsdienstes, während der größte Teil des Volks für die Befreiung von der Waffenpflicht und den gewährten Schntz Gegen- leistnngen andrer Art übernimmt. Hiermit vollzieht sich je länger je mehr nnd je schärfer die verhängnisvolle Scheidnng in die großen Gruppen der waffentragenden Schützer und der waffenlosen Beschützten. Während jene sich aufwärts bewegen, sinken diese von Stufe zu Stufe herab: aus den waffenlos gewordnen Altfreien und Unfreien werden die Grundholdeu, im Laufe der Jahrhunderte werden diese zu Hörigen und endlich zu Leibeignen. Mit der Waffenpflicht hat die Masse des Volks auch ihre Bürgerrechte verloren, sie ist zum Paria geworden; es ist nur natürlich, daß der Staat diesen Klassen, die seine» Nutzen nicht unmittelbar fördern können, auch nur eiu geringeres Interesse entgegenbringt. Dieses Sinken der untern Volksschichten, insbesondre des Bauernstandes, dauert genau so lauge, bis der Staat im eigensten Interesse ihrer wieder bedarf. Es ist das die Zeit des dreißigjährigen Krieges. Die furchtbare Not der Zeit, die völlige Verwilderung des Berufssölonertums und endlich das Muster der schwedischen Armee, in der das altgermanische kriegerische Bauerntum noch fortlebte, ließen den so natürlichen Gedanken der allgemeinen Wehrpflicht wieder aufleben. Gern hätte der Staat die Aushebung eingeführt, aber die Masfe des Volks war vorläufig für ihn nicht zu haben, andre Schichten mit erworbnen und angemaßten Rechten hatten sich dazwischengedrängt, und es hat eines Kampfes von mehr als anderthalb Jahrhunderten bedurft, bis der Staat zur Masse des Volks und diese znm Staate durchdringen konnte. Deutlich aber bleibt der um 1640 liegende Wendepunkt erkennbar, wo die bezeichnete Bewegung rückläufig zu werden beginnt, bis sie im neunzehnten Jahrhundert wieder zu dem modernisirten alten Heerbann, zur Vollfreiheit und Gleichberechtigung des alten Zustandes zurückkehrt. Das Sinken des Bauernstandes hatte aber auch den stärksten Einfluß auf seinen Charakter geübt: in der Abhängigkeit und Rechtlosigkeit war er träge, roh und liederlich, stupide