134
Die preußischen Richter und Gerichtsassessoren
Prüfung im Examen. Darüber hinaus sind auf der Stufe, mit der man es hier zu thun hat, die Unterschiede im allgemeinen so gering, daß häufige Abweichungen von der Altersfolge sehr leicht den Verdacht der Willkür erregen würden, nnd daß es den Anschein gewinnen würde, als Ware dem Strebertum nun Thür uud Thor geöffnet. In der That haben sich bei der Besetzung der hvhern Stellen des Justizdienstes, bei denen die Frage der ersten Versorgung wegfällt und das „Tüchtigkeitsprinzip" deshalb mehr gerechtfertigt erscheinen möchte, so große Mängel gezeigt, daß wahrlich kein Grund vorliegt, es auf die erste Anstellung auszudehnen. Am Platze ist es nnr da, wo es sich um die Auswahl weniger Kräfte handelt, d. h. in den höchsten Nichterund andern höchsten Staatsbeamtenstellen, uud man muß anerkennen, daß es hier im Reiche wie im Staate im großen und ganzen mit ausgezeichneter Umsicht und Sicherheit gehaudhabt wird.
Gerade im Anschluß an uusern Vorschlag drängt nun schließlich zur Besprechung — der Erfolg, den sich der Jnstizmiuister von der Auswahl nach der Richterprüfung verspricht. Er meint, die Justiz werde dann die erste Auswahl unter den Geeigneten haben, während jetzt die übrigen Verwaltungen die Sahne abschöpften. Glaubt der Minister wirklich, daß sich das durch seiueu Vorschlag ändern würde? Von allen Gründen scheint dieser am meisten bei der Volksvertretung den Verdacht erregt zn haben, daß die Absichten der Gesetzesvorlage andre als die angegebnen seineu. Der Erfolg des Gesetzes würde nur der sein, daß die Justiz sehr bald iu große Verlegenheit wegen geeigneter Kräfte geraten würde.
Zunächst ist es nicht richtig, daß die übrigen Verwaltungen zur Zeit die leistungsfähigsten Leute aus den Assessoren aussuchen. Gerade die allgemeine Staatsverwaltung sucht sich ihren Ersatz aus den Referendaren heraus, und zwar nicht aus den tüchtigsten, sondern mit Vorliebe aus dem Adel und aus soust äußerlich bevorzugten Leuten, und es fließen ihr leicht und ohne große Wahl vielfach Leute aus den besfern Familien zu, daneben auch Leute vou geringerer Herkunft, ebenso wie in der Justiz. Manche vou den Referendaren, die zur Negierung gehen wollen, fühleu sich ihrer Sache so sicher, daß sie die zweijährige Vorbereitung bei den Gerichten lediglich als Vergnüguugszeit betrachten; man kann sie offen aussprechen hören, daß ihnen ihre gerichtlichen Leistungen völlig gleichgiltig seien. Sollte der Herr Justizminister Verlangen nach diesen Kräften haben, so würde er sich mit seiner Auswahl etwas beeilen müssen. Zur Zeit des Assessorexamens sind sie längst vergriffen. Die übrigen Verwaltungen nehmen allerdings ihren Bedarf aus den Assessoren oder Richtern, aber gleichsfalls meist ohne große Auswahl nach den Leistungen. Leute von besserm Herkommen laufen ihnen von selbst zu, uud damit sind sie zufrieden.
Woher kommt aber dieser Zulanf? Die Antwort liegt sehr nahe: die Verwaltung giebt erstens einen höher» Gehalt.