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Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die Reinigung der konservativen Partei. Über die Trennung Stöckers von seinen konservativen Parteigenossen haben die Linksliberalen, die Mittelpcirteiler, die Zentrumsleute, die Sozialdemokraten und er selbst einerlei Meinung: sie bedeute deu Verzicht des Parteivorstandes ans Sozialpolitik oder, was so ziemlich dasselbe ist, auf deu Ruf der Arbeiterfreuudlichkeit. Daß dieses wirklich die Bcdcutnug des Ereignisses ist, ergiebt sich aus der Verwerfung von Stöckers Antrag im Elfcr- ansschnß, und daß es Stöcker selbst so versteht, aus seiner Erklärung in der Deutschen Evangelischen Kirchenzeitnng. Die genannten Parteien freueu sich darüber aus ver­schiednett Gründen, die linksseitigen, weil sie hoffen, daß die Konservativen dadurch Wahler verlieren werden, die Katholiken, weil dadurch die Gefahr der Konkurrenz, die ihnen die konservative Partei hie und da macht, geringer wird, die Mittel- parteiler, die mit der unverwüstlichen Hoffnungskraft der alten Jungfer aufs Kartell, aufs Gelingen einer Politik gegen das Einmaleins, harren, daß nun endlich, uach Ausscheidung der klerikalen und der sozialen Elemente, die Konservativen reif sein werden für die nationalliberale Führung, was die Konservative.Korrespondenz für Illusion erklärt. Stvcker und die Konservativen freuen sich natürlich weniger. Beide haben einander gegenseitig als Werkzeug gebraucht; die Konservativen fischten mit Stöcker Wähler iu den Kreisen des Kleingewerbes und der Arbeiter, und Stvcker bemchte die Partei für seinen persönlichen Ehrgeiz, sagen seine Gegner wir sagen bloß, für seine sozialpolitischen Pläne. Jede solche politische Handels­gesellschaft nimmt schließlich einmal ein Ende, und da bei der Liquidation für beide Teilhaber nichts als Ärger nnd Verlust übrig zu bleiben pflegt, so ist sie kein an­genehmes Geschäft. Die Konservativen haben außerdem gegen die Deutung, die dem Vorgänge allgemein gegeben wird, Schande halber zn Protestiren, und der Graf von Limburg-Stirum versichert in einer Zuschrift an die Schlefische Zeitung, daß er zwar, im Gegensatz zu Stöcker, die Svzialdemokratie mit Machtmitteln bekämpft wissen wolle, aber zugleich an dem konservativen Programm von 1892 festhalte, wonachdie soziale Reform durch Hebung der innern und äußern Lebenshaltung des Arbeiterstandes nnd durch wirtschaftliche Hebung der Mittelstände stetig fort­zuführen fei." Dafür, daß die stetige Fortführung kein allzu rasches Tempo an­nimmt, ist ja wohl schon gesorgt; bemerkt doch die Schlefische Zeitung in einer Nachschrift zu dem Briefe des Grafen,im Kampfe gegen eine verkehrte, dem konservativen Geiste fremde Sozialpolitik" kämendie Konservativen vielfach nicht dazn, werbend für den richtigen sozialpolitischen Gedanken einzutreten." Diese Entschuldigung wird noch lange und jetzt erst recht vorhalten, da Stöckcr, obgleich er nochrechtser gehen" will, doch wahrscheinlich weiter nach links abschwenken, also die falsche" Sozialpolitik stärken wird, nnd anch nnr darüber ins klare zn kommen, worin eigentlich die richtige konservative Sozialpolitik besteht, wird nicht so bald mög­lich sein, da man ja noch gar nicht weiß, was nnd wer konservativ ist. Am 7. schrieb die Schlefische Zeitung, manche konservative Preßvrgaue fühlten sich unangenehm be­rührt dadurch, daß mau zuverlässige Informationen über Vorgänge innerhalb der konservativen Partei in ihren, der Schlesischen, Spalten finde; die Kreuzzeitnng ereifre sich darüber, daßso etwas" in Zeitungen wie der Schlesischen zu lesen gewesen sei, die dochmit der konservativen Partei nichts zu thun haben." Darauf erwidert die Schlefische Zeitung mit der spöttischen Frage-Wirtlich? Ist die Krenzzeitung ihrer Sache so sicher?" und stellt es als eine allgemein bekannte Thatsache hin, durch dereu Leugnung man sich nur lächerlich mache, daß einflußreiche Führer der konservativen Partei in enger Verbindung mit ihr stehen.