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Hinab! 1
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Hinabi

zu Ställe, und jenseits der Straße ein Paar Schuppen für das Fuhrwerk, das hier über Nacht blieb, dicht über der Klamm. Eine doppelte steinerne Freitreppe führte an dem Hanse zu einer Laube empor, deren Säulen das vorgeschobne obere Stockwerk trugen; über das braune Gebälk mit den freundlich blickenden Fenstern, von denen überall Blumen herableuchteteu, ragte weit das breite Dach hiuaus, und vom Giebel herab schaukelte das Wirtshauszeichen.

Dort ging es immer lustig zu. Vor dem Hause standen die Wagen mit den scharrenden nnd stampfenden Pferden, die ein wenig verschnaufen und fressen dnrften, während die Fuhrleute unter der Laube zechten. Peitschenknallend rollte neues Fuhrwerk herzu, leicht den Berg herab oder keuchend heran; andres wieder davon, unter Zuruf und Gelächter. Hunde bellten, und gackerndes Geflügel lief und flatterte zwischen deu Rädern herum uud suchte die von den Krippen fallenden Körner zu erHaschen. Es war ein fortwährendes Leben, Kommen und Gehen.

Aber über all dem Leben war eins, das es zu beherrschen und zu dämpfen, manchmal allem den Atem zu nehmen schien. Das war der tiefe Ton der Ache und des in sie hinabstürzenden Bachs, der aus der Klamm heraufdröhnte. Am Tage klang er und in der Nacht; im Frühling, wenn die Wasser grau uud schäumend herabtosten, im Winter, wenn der Schnee die Felder bedeckte und mit tausend Eiszapfen über der Schlucht hing, als wollte er sie schließen. Immer war es derselbe ernste, gewaltige Ton, der niemals aussetzte und das Thal erfüllte zwischen deu Bergen hüben und drüben.

Eben wollte die Vroni, die Wirtstochter, deu Arm voll leerer Krüge, die sie der lärmenden Gesellschaft an den Tischen unter der Laube abgenommen hatte, ins Haus eilen, als sie plötzlich hoch aufgerichtet stillstand und den Kopf horchend zurück­wandte. Aber durch das Geschwätz der Leute klang nur das Brausen des Wasser­falls zu ihr herüber. Die Spannung verließ ihr hübsches Gesicht, und sie wandte sich schon wieder dem Hause zu. Da schreckte sie von neuem zusammen, und pol­ternd fielen ihr die Krüge vom Arm auf die Diele. Ein Heller Juchzer war deut­lich durch alles Gelärm und Gebrause von der Straße herauf geklungen. Wie der Blitz war sie draußen auf dem Treppenvorsprung und blickte die Straße hinab. Dann flog sie an den verwundert aufschauenden Gästen vorbei mit brennenden Wangen ins Haus.

Jessas, das Mädel! sagte die Mutter, an die sie beinahe augeprallt wäre. Was giebts?

Alle Krug sau mir am Boden, stotterte Vroni. Oje, der ist gar hin! setzte sie verwirrt hinzu, als sie niederblickte, dann beugte sie sich nach den Scherben, hob sie aber nicht auf, sondern richtete sich hastig wieder in die Höhe und sagte halblaut: Ich glaub, es ist der Hcmsl. Draußeu kommt er aufs Haus zu! Sie stand einen Augenblick unschlüssig, dann lief sie an der Mutter vorbei und war im Nu die Treppe hinauf.

Der Hcmsl? sagte die Frau kopfschüttelnd, was das Mädel meint! Wie sollte der jetzt daher kommen? Aber ehe sie noch die Krüge und Scherben hatte auf­raffen können, tönte lautes Geschrei von der Laube herein. Die Leute sprangen von den Bänken auf und drängten sich um einen hochgewachsenen Burschen, der, die Soldatenmütze keck auf dem Ohr, einen Nucksack über die Schulter gehäugt, die Stufen hercmfgespruugen war. Alles rief durch einander. Man schüttelte ihm die Hände und hielt ihm die Krüge hin, alle wollten auf einmal Bescheid gethan haben. Er aber bahnte sich lachend Weg. Laßt mich nur erst ins Haus, Leute! rief er, nachher will ich euch schon Rede stehen.