Zur Reform der Arbeiterversicherung
Von H. Sturm (in Gera)
or wenigen Tagen ist durch die Tagesblätter die Nachricht gegangen, daß demnächst im Reichsamte des Innern unter Vorsitz des Staatsministers von Bötticher und unter Zuziehung hervorragender Sachverständigen aus den Kreisen der Arbeitgeber und Arbeiter Veratungen über eine Umgestaltung und insbesondre über eine Vereinfachung unsrer Arbeiterversicherungsgesetze stattfinden würden. Diese Nachricht wird überall mit Freuden begrüßt worden sein, denn auch die eifrigsten Freunde unsrer sozialen Gesetzgebung können nicht bestreikn, daß diese durchaus nicht vollkommen, sondern mit mancherlei Mängeln behaftet ist.
Es kann hieraus niemandem ein Vorwurf gemacht werden. Auf einem vollständig neuen Gebiete ist das deutsche Reich bahnbrechend vorgegangen. In der kurzen Zeit seit Erlaß der kaiserlichen Botschaft vom 17. November 1881, die die Arbeiterversicherung eingeleitet hat, ist die Fürsorge für die Angehörigen des Arbeiterstandes mehr und mehr erweitert worden, und gegenwärtig sind im deutschen Reiche bereits über 7 Millionen Personen gegen Krankheit, über 18 Millionen gegen die Folgen von Betriebsunfällen und über 11 Millionen auf Grund des Jnvaliditäts- und Altersversichernngsgesetzes versichert. Und dieses Vorgehen des deutschen Reichs ist zugleich von Einfluß auf die Stellung der Arbeiter in den übrigen europäischen Staaten gewesen. Fast alle haben dem Beispiel Deutschlands folgen müssen, und es muß für die Urheber der deutschen Gesetzgebung eine große Genugthnnng sein, daß ihre Grundzüge, wie aus dem im rechten Augenblicke erschienenen Werke des Präsidenten des Neichs- versicherungsamts Dr. Bödiker über die Arbeiterversicheruug in den europäischen Staaten hervorgeht, auch von den übrigen Staaten als im wesentlichen richtig
Grenzbvten IV 1835 46