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Der deutsche Staat am Ende des neunzehnten Jahrhunderts
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Der ewige Jude und der Teufel

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tragen die Proben, die wir hier mitgeteilt haben, dazu bei, dem Buche eine recht große Zahl von Freunden zu erwerben. Kein Student und kein Vater, der einen Sohn zur Universität schickt, sollte es ungelesen lassen.

Der ewige Jude und der Teufel

in der jüngsten deutschen Poesie

user deutsches Volksbuch vom Doktor Faust und von seinem Bündnis mit dem Teufel und die düstre Erzählung vom ewigen Juden sind bekanntlich kurz nach einander (1587 und 1602) er­schienen, nnd ein verwandter Zug der schaffenden Phantasie wie der aufnehmenden Empfänglichkeit hat seitdem Satan und Ahasver immer wieder nahe zu einander gerückt. In allen Gürungsperioden des Geistes und des Geschmacks treten die Fragen, die Stimmungen, die Em­pfindungen, die in den Teufelsmythen und den Legenden vom ewigen Juden verkörpert worden sind und werden sollen, aufs neue in den Vordergrund. Als in der Sturm- und Drangperiode unsrer Litteratur das Idyll nach Rous- seauschem Maß überhnnd zu nehmen begann, als man sich in der ersten Freude am Charakteristischen, am Naiven und Volksmäßigen mit Alltagsbildcrn und einfachen Gestalten fast überbot, als es gelegentlich den Anschein gewann, als würde sich alle poetische Weltdarstellung in die Intimitäten des deutschen Fa­miliendaseins verlieren, da klammerte sich der halb unbewußte Widerstand Poetischer Talente gern an mächtigere Vorstellnngen, an den tiefern Lebens­gehalt in den alten Überlieferungen vom Teufel und vom ewigen Juden. Schubart beschwor Ahasver aus den Klüften des Karmel, Goethe, der Maler Müller und Klinger sahen zugleich Faust und seinen höllischen Genossen, der gewaltige Jugendentwurf Goethes rang sich, in der Gestaltung wachsend, über alle Dichtungen der Zeit empor. So wie in den letzten zwanziger Jahren die stärkere Wirkung Lord Byrons auf unsre poetische Litteratur anhebt, sehen wir auch die alten Sagengestalten wieder auftauchen, die dem modernen Geist und Geschmack am besten ermöglichen, seine Empfindungen, Triebe und Ge­danken zu verkörpern. Und eben jetzt wieder, wo offenbar eine Reaktion gegen die wüste Plattheit des reiuen oder vielmehr des schmutzigen Naturalismus erwacht, wo man der Elendsschilderung und der photvgraphisch treuen Wieder­gabe alles Widrigen müde wird, wo das Bedürfnis einzelner poetischer Naturen Grenzboten III 1895 10