Beitrag 
Der geistige Gehalt in der Malerei
Seite
135
Einzelbild herunterladen
 

Der geistige Gehalt in der Malerei

135

an dem dargestellten Gegenstande statt bloß am Sinnenschein sei kein ästhetisches oder habe überhaupt mit der Kunst nichts zu thun.

Nun bezeichnet aber doch schon der unentbehrliche Begriff derStimmung" die Übertragung geistigen Gehalts auf das Gemälde; er ist dem menschlichen Geistesleben entnommen. Die Stimmung in einem Bilde ist das der Seelen- ftimmung verwandte, das der Künstler aus feinem eignen Gemütsleben schöpfend in die Natur hineingesehen und in seinem Abbilde zum Ausdruck gebracht hat. Auch der Beschauer empfindet diese Stimmung, weil der unter ihrer Leitung komponirte Sinnenschein des Bildes auch in ihm dieselbe geistige Wirkung hervorbringt.

Nach der Auffassung der modernen Richtung wäreStimmung" selbst ein bloßer Bestandteil des Siunenscheins; dann hat aber die Anwendung dieses Wortes nicht den geringsten Sinn mehr. Daß das Wort trotzdem von der modernen Richtung beibehalten werden mußte, ist für die wahre Sachlage bezeichnend genug.

Besonders hat man das Erzählen aus dem Strich; das soll allein des Dichters Sache sein. Der Maler soll bloß zum Ansehen einladen. Die An­hänger der modernen Richtung schütten deshalb die ganze Schale ihrer Gering­schätzung über dieHistorienmalerei" aus.

Wie werden doch dieseStürmer und Dräuger" mit einemmale pedan­tisch! Sie mesfen dem künstlerischen Genius mit dem Ellenmaß die Grenzen ab, innerhalb deren er seinen Stoff wählen soll, sie, die sonst behaupten, jegliches Ding von der Welt, wenn es nur dem Künstlerauge auffüllt, könne ein wahres Kunstwerk geben! Machten sie nun bloß für sich selbst von dieser Freiheit keinen Gebrauch und sie scheinen eine gewisse Vorliebe für einen engern Umkreis, nämlich für das Gebiet des Geringen und Häßlichen in der Natur zu haben, so wäre dagegen nichts einzuwenden, wenn auch die Griechen diese Geschmacksrichtung, wie Lessing lobend erwähnt, von Polizei wegen verboten hatten. Wenn sie aber auch andern die ganze unerschöpflich reiche Welt des geschichtlichen Lebens verschließen wollen, so widerspricht das doch zn sehr ihrem eignen Grundsatz, dem Künstler das ganze Gebiet des An­sehbaren freizugeben.

Aber entbehren nicht gerade die geschichtlichen Vorgänge dieses Merkmals, daß sie ansehbar sind? Wieso? Muß denn nicht jede künstlerische Anschauung von dem geistigen Auge des Künstlers geleitet sein, selbst die Auffassung der Naturwirklichkeit, damit er daraus ein andres Bild Herausfehe, als das, das die schärfste Beobachtung eines Naturforschers liefert? Mit andern Worten: jeder Maler durchdringt und verbindet die angesehenen Gegenstände mit Phantasie. Dabei wird ein Bild nicht schlechter, wenn es Erinnerungen sind, die die Phantasie in sinnliche Erscheinungen kleidet, sondern nur dann, wenn dieses Gewand des Sinnenscheins zu kurz oder zu lang ausfällt; das kann