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Malergeschichten aus Mignons Skizzenbuche : 2. Der Ulmer Meyer
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Malergeschichten

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Auch der traurige Akademiker, den sie in derDiezschulc" den schönen Ferdinand hießen, saß endlich neben Resi, des Privatiers Nudelmeyer einziger Tochter. Glück und Maiwein stürmten auf ihn ein. Aber er hielt sich mann­haft und führte sie aufrecht zum Tanz. Sie kamen an der Bank vorbei, die der Professor Caspar von der Akademie besetzt hielt. Der Professor ist schon ziemlich betrunken, aber es wird schon noch besser kommen, sagte der schöne Ferdinand überlegen, und dann erklärte er der Resi, daß der Professor aus einer Familie von lauterKunstmalern" stamme. Sein Bruder, der ist schon berühmter. Zum Unterschied heißt er der junge Caspar, obgleich er auch kein heuriges Häslein mehr ist. Dem hat im vergangnen Jahr der Prinzregent seine Madonna abgekauft und ihn zum Frühstück eingeladen. Aber deswegen ist es doch nicht, daß er zu Hause bleibt. Die Resi' sah den Professor mit ihren runden Augen an und sagte keck: Warum sind denn dem Herrn Professor sein Bruder nicht hier? Der Professor sah der Resi ihr freundliches Gesicht wie eine Rose auf einem breiten See von Maiwein gegen seine Lippen schwimmen. Er öffnete den weiten Mund und murmelte traumverloren: Ich sage es der Dame ganz offen: er meidet mich!

Der schöne Ferdinand verbiß sich das Lachen und zog die Resi rascher durch das Gewühl, dorthin, wo wie ferne Sphärenmusik der Baß und die Geigen zusammenklangen und die Tänzer sich im Raume drehten wie ein kunstvoll gefügtes Planetensystem. Manchmal flog auch ein tanzendes Paar wie eine einsame Sternschnuppe über die Schwelle hinaus, um zwischen Kieseln und Pfützen unter freiem Himmel den Tanz fortzusetzen.

Über der hölzernen Bank, an der wir saßen, wurde inzwischen ein raschelnder Laut immer vernehmlicher, etwa wie wenn Eichhörnchen knuspern, und ab und zu fiel etwas von einer Käserinde oder eine Brotkrume zwischen mis nieder. Auch hinter uns war man aufmerksam geworden und schaute hinauf. Da lag einer auf dem Bauche behaglich über einen Ast gestreckt. Die Sonne beleuchtete die kurzgeschnittenen Haare, daß sie glänzten wie die blanken Stifte einer Spieluhr. Er grinste verwegen und kaute Brot, während er die schwerbestiefelten Beine herabbaumeln ließ, gleichgiltig, auf wessen Rock er den Staub abschüttelte.

Die hinter uns hatten einen von der Gendarmerie am Tisch, der sich sein herbes Amt mit Maiwein versüßte. Den stießen sie an. Du, Jakob, das ist der Nazi da droben, dein Schwestersohn. Wir wenn das thuu würden, uns thätst du schön heimführen! Der Jakob schlug mit der Faust auf deu Tisch, uud im Augenblick stand alles auf den Bänken. Ein Menschenknüuel, ein Geschrei und erhobne Krttge aber der Jakob und seine Standesehre fanden die Lösung. Er riß den Nazi vom Baum herunter, daß er sich bei dem unsanften Abstieg die Hände aufschürfte und sein Käsebrot nur mühsam festhielt, während ihn der gerechte Oheim abführte. Erst in einiger Entfernung werter hinten sah man sie noch einmal in: Gedränge auftauchen, dann war alles in seinem vorigen Fluß, wie sich das Wasser über einem Stein schließt. ^u,r ein paar Ringe zeichnet er beim Fallen auf das Wasser, die entsprechen den Runzeln auf Menschenstirnen.

Eine solche Unmutsfalte hatte der Vorfall bei meinem Freund hinter­lassen. Wozu ist jetzt das, sagte er. Wir sitzen den Bäumen auf den Wurzeln. «>arum soll nun der nicht auf dem Ast sitzen dürfen? Muß der Bub ein -^Pfer für die Demonstrativ» sein? Denn wie die Münchner Schutzmannschaft