Das Börsenspiel
101
der judenfreundlichen Presse auf alle erdenkliche Weise herausgefordert worden waren. Historiker und Kulturhistoriker würden gut thun, einige Wiener Blätter (die ja jetzt überall zu sehen sind) aus den letzten Monaten zu sammeln, da sie wertvolles Material zum Verständnis des gegenwärtigen Entwicklungsprozesses enthalten. In Ungarn haben die „Liberalen" in aller Form-gesiegt, die Krone hat sich gefügt, wenn auch die Mitteilungen, daß bald dieser, bald jener im Staatsdienste stehende ungarische Aristokrat wegen seiner Abstimmung gegen die Zivilehe gemaßregelt werden solle, wohl nur als Ausdruck frommer Wünsche zu nehmen sein dürften. Und der übermütige Ton, den die entsprechende Partei in Österreich anschlägt, verrät auch dort die Siegeszuversicht. Auch ohne Verdächtigcngesetz ist die Einführung der Gesinnungsinquisitiou in dem ersten Falle gelungen; wie lange wird es dauern, daß „die öffentliche Meinung" eine Purifikation der Staatsbehörden verlangt?
Und dabei wundert man sich über das Anwachsen des Antisemitismus und die Gewaltthätigkeit, mit der auch er häufig auftritt!
Das Börsenspiel
nach den Protokollen der Börseukommission von C>. Bahr (Schluß)
chon in meinem früher erwähnten Aufsatze vom Februar d. I. habe ich es als unerhört bezeichnet, daß eine zum Kampfe gegen ein schweres soziales Übel berufne Versammlung hochangesehener Männer Vorschläge macht, die darauf abzielen, das Übel erst recht ^zu befestigen. Aus dem Sitzuugsprotokoll vom 12. Oktober 1^92 ergiebt sich, daß der Antrag Wieners, das Differenzspiel uubediugt für klagbar zu erklären, mit zehn gegen acht Stimmen gefaßt worden ist. Wir ^hen nun anch klarer darüber, auf welchem Wege dieses Ziel erreicht wurde.
Mit allen Mitteln dialektischer Kunst wurde dahiu gestrebt, den Begriff des »reellen Termingeschäfts," das man dem „bloßen Differenzgeschäft" gegenüberstellt hatte, dahin zu erweitern, daß er jedes Differenzgeschäft umfasse, wenn leses nur nicht dem Spielenden unmittelbar zum Verderben gereiche. Am "ersten ergiebt sich das aus dem einem Sachverständigen gemachten Vorhalt, °b er es denn nicht als ein „legitimes Geschäft" anerkenne, wenn ein wohl-