Der Wunderglaube und der heilige Rock in Trier
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Angesichte frisch sich entwickelte. Am 15. Oktober war die ganze Stelle: Wangen, Lippe, Nase, ganz gesund und ist es bis heute geblieben. Der Mann kann alle kalte Luft, kaltes Wasser u. s. w. an der Stelle vertragen, ohne jede andre Empfindung, als sie (!) jeder gesunde Mensch hat. Der Arzt, Dr. Bokel- mann, bescheinigt den jetzigen Zustand durch ein Zeuguis, welches ich bereits eingesandt habe; er meint zwar, die Luugeneutzüudung habe durch Veränderung im Blute den Erfolg der Genesung gehabt. Hoffmann aber ist der festen Überzeugung, nicht der irdische Arzt und die irdische Medizin, sondern die Berührung des heiligen Rocks und das Vertrauen, mit welchem er ein Stückchen Tuch, das er am (!) heiligen Rock hatte anrühren lassen, jede Nacht über sein Gesicht band und auch am Tage öfters auflegte, habe ihm die Genesung gebracht." (Gutachten des Pfarrers vom 2. Dezember 1891.) Dieser Auffassung des Geheilten schließt sich das Gutachteu der Kommisston im Gegensatz zu der Erklärung des behandelnden Arztes an, indem sie sagt: „Eine natürliche Erklärung der Heilung erscheint ausgeschlossen."
Man sieht, was es mit dem aktenmäßigen Material für eine Bewandtnis hat. Aber selbst diese wissenschaftlich so ungenau verfahrende Kommission findet von den ihr zur Begutachtung vorgelegten Fällen nur elf uicht auf natürlichem Wege erklärlich uud enthält sich bei siebenundzwanzig andern des Urteils oder spricht die Meinung ans, daß die Heilung auch auf uatürlichem Wege habe erfolgen können, wenn sie auch in Verbindung mit der Verehrung des heiligen Rocks auffallend erscheine, uud scheidet die gewiß uicht geringe Zahl der auch dem Bischof gegenüber nicht genügend beglaubigten Fülle ganz aus.
Wie hilft sich nun der Bischof gegenüber den siebeuundzwanzig vor der Kommission unentschieden gebliebnen Fällen? Einfach, indem er, „dein Rate eines hohen geistlichen Würdenträgers und Mitgliedes der Nitenkongregation folgend," auch diese zweifelhaften Heilungen veröffentlicht und sie nur als „Gnadenerweise" bezeichnet, indem er es dem Leser überläßt, sich auf Grund der Thatsachen selbst ein Urteil zu bilden. Dieses Urteil wollen wir dem Bischof verraten. Für die. die an die Echtheit der elf Wunder glauben, reichen die festgestellten Thatsachen auch iu deu siebenundzwanzig andern und noch vielen sonstigen Fällen, die im Volke erzählt und ausgeschmückt werden, aus. An dem Urteile der andern ist ihm wahrscheinlich nicht viel gelegen.
Merkwürdig ist, daß der Bischof, während er auf der ersten Seite des Vorworts sagt, daß es dem Herru gefallen habe, während der Ausstellung des heiligen Rockes durch viele auffallende Heilungen seine Allmacht zu offenbaren und dadurch den Glauben der frommen Pilger zu belohnen, auf der letzten Seite des Schlußwortes bemerkt: „Uns Katholiken bieten diese Wunder und Gnadenerweise eine neue Bestätigung unsers Glaubens. Wir dürfen uns freuen, daß der Herr durch diese Kundgebungen seiner Allmacht insbesondre