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Die Währungsfrage
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Die ZVähruilgsfrage

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Wir wollen aber einmal ganz von den unüberwindlichen Schwierigkeiten, die schon die Ausführung der Sache in sich trügt, absehen. Wir wollen an­nehmen, sie sei ausführbar. Was würde denn damit erreicht werden?

Das Ziel der Agrarier ist, höhere Fruchtpreise zu erlangen. Das wäre doch nur in der Weise möglich, daß durch Beschaffung von Silbergeld, sei es durch staatliche, sei es durch freie Prägung, die Masse des umlaufenden Geldes ungeheuer vermehrt würde. Es ist kein Zweifel, daß durch eine Vermehrung des umlaufenden Geldes in großem Maßstabe eine Entwertung des Geldes eintreten würde, die in einem Steigen der Preise ihren Ausdruck sände. Wir haben diese Erscheinung bereits im Laufe der sechziger Jahre durchlebt. Glauben denn nun aber unsre Landwirte, daß durch eine solche Entwertung des Geldes ihre Fruchtpreise allein in die Höhe gingen? Nein, alle Gegenstände würden teurer werden. Auch der Fabrikant und der Kaufmann würden sehr bald merken, daß das Geld nicht mehr denselben Wert hätte, und sie würden dem­entsprechend ihre Preise höher stellen. Wenn aber alle Preise gleichmäßig in die Höhe gehen, so wird dadurch das Leben einer Nation nicht im geringsten besser, und kein Stand hat einen Vorteil davon.

Gleichwohl ist die Rechnung der Agrarier nicht ganz ohne Grund. Sie würden durch die Entwertung des Geldes Vorteile haben solchen gegenüber, die der Steigerung der Preise, sei es vorübergehend, sei es dauernd, nicht zu folgen vermöchten. Auch darüber haben wir schon bei der Preissteigerung der sechziger Jahre Erfahrungen machen können.

Die Erfahrung lehrt, daß gewisse Verhältnisse einer allgemeine» Steigerung der Preise nur zögernd zu folgen pflegen. So wird man sich z. B. in einen, solchen Falle zu einer Erhöhung der Beamteugchalte erst nach Ablauf einer gewissen Zeit entschließen, und bis dahin werden es die Beamten schmerzlich empfinden, daß sür sie das Leben immer teurer wird. Ähnlich verhält es sich mit den Löhnen der Arbeiter, namentlich der ländlichen Arbeiter. Sie merken nicht, daß sie in dem sich gleichbleibenden Geldbetrag weniger als früher an Lohn erhalten, und lassen sich deshalb die frühern Löhne gefallen. Dieser Vorteil würde mm vielleicht auch unsern Landwirten zu gute kommen. Es wäre möglich, daß sie ihre Fruchtpreise steigern könnten, während sie einstweilen ihren Arbeitern noch dieselben Löhne zahlten. Diese Freude würde aber doch nicht lange dauern. Nach einiger Zeit würden auch die Löhne der allgemeinen Preissteigerung folgen, und dann würde das Verhältnis ganz dasselbe sein wie vorher. Jedenfalls aber fragt es sich, ob ein solcher, wenn auch nur vor­übergehender Vorteil der Landwirte auf Kosten ihrer Arbeiter für gerecht zu halten und vom sozialen Standpunke zu billige» wäre.

Dagegen besteht noch ein andres Verhältnis, bei dem eine Entwertung des Geldes dauernd zum Vorteil des einen und zum Schaden des andern Teiles führt. Das ist das Verhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger.