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Rußland in Persien
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Rußland in Persien

die Perser zählen, einen weit größern Einfluß auf die Massen als bei den Sunniten. Die Bewegung soll nur durch die Verhandlungen, die der Großvezier mit dem einflußreichsten der aufständischen Priester, dem Mollyh Mirza Hasscin eröffnete, beschwichtigt worden sein. Es gelang ihm, den Mollah zu über­zeugen, daß die Bewegung das Land nur in die Hände der Ungläubigen bringen würde.

Bei einer solchen Bewegung würde Rußland die einzige Macht sein, die sofort für den Schutz der Europäer eintreten könnte. Eine Abteilung russischer Kavallerie bildet die Leibwache des russischen Gesandten in Teheran. Turk­menische Kosaken uuter russischen Offizieren sind die besten Truppen in Persien. Außerdem könnten leicht von Askcibad, Duschak und andern Punkten der transkaspischen Bahn auf telegraphischem Wege russische Truppen herbeigerufeu werden. Diese Bewegung, die sich also gegen die Europäer uud den Schah von Persien richtet, konnten sich die Russen sehr leicht zu nutze machen. Auch an einem künftigen Thronbewerber uud Statthalter für Persieu würde es deu Russen nicht fehlen. Lebt doch in Tiflis als russischer Generalmajor ein per­sischer Prinz Risa-Kuli-Mirza.

In England sieht man denn auch hinter jeder Volksuuruhe russische Um­triebe. Als infolge der Übertragung des Tabakmonopvls an eine englische Gesellschaft bedenkliche Bewegungen entstanden, führte man dies und wohl nicht ohne Grund auf russische Einwirkung zurück. Der Schah mußte, so geldbedürftig er auch war, der englischen Gesellschaft die Erlaubnis wieder entziehen und dafür eine beträchtliche Entschädigungssumme zahlen, die ihm die russische Regierung vorschoß. Dagegen durfte der Schah Ende des Jahres 1892 der Pariser Tabakgesellschaft in Konstantinopel auf fünfundzwanzig Jahre große Vorrechte einräumen. Auch im Mai 1893 erhob sich in Schiras eine nicht unbeträchtliche Bewegung gegen die Beamten der englischen Telegraphen­gesellschaft.

Während also den Engländern das persische Volk mag dies nun frei­willig oder infolge von Aufstachlungen geschehen Feindschaft entgegenbringt, begegnet es den Russen mit einem gewissen Vertrauen. So traten letzten Sommer eine große Anzahl Familien aus Chorassan, geführt von ihren Chanen, auf russisches Gebiet über. Zwar mag sie übermüßiger Steuerdruck zu diesem Schritte veranlaßt haben, aber diese kriegerischen Stämme Nordpersiens, die den Turkmenen verwandt sind, und die sich dem Steuerdruck gern zu entziehen pflegen, scheint auch ein Gefühl der Achtung vor der russischen Macht nach Trcmstaspien getrieben zu haben.

Gleich dem Ansehen sinkt auch der Handel Englands, wogegen der rus­sische, namentlich im Norden und Osten, immer mehr wächst. Schon 1892 berichtete der englische Generalkonsul Maclean in Mesched, daß Rußlands Wareneinfuhr nach Chorassan bedeutend zugenommen und sich im Jahre 1891