Maßgebliches und Unmaßgebliches
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Fahrzeugen, die Kuhlen, Wasser »der Proviant anfnehmen wollen oder sonst einen triftigen Anlast haben, ihre Häfen öffnen. Allerdings nicht ohne einige beschränkende Klauseln. Italien z. B. nimmt nicht mehr als drei fremde Kriegsschiffe in einen seiner Häfen auf, eine Vorsichtsmastregel, die wohl geboten ist, da eine starke fremde Flotte bei eiuem unerwartet ausbrechenden Kriege zn einer sehr ernsten Gefahr werden kann, wenn sie sich ihren Hafen vorher hat auswählen können.
Trotz alledei« möchten wir doch davor warnen, die neue Lage, die durch das Zusammenwirken der russisch-französischen Flotte im Mittelmeer geschaffen ist, allzu optimistisch anzusehen. Führt man auch, wie wir es gethcm haben, die für den Augenblick drohende Gefahr ans ihr rechtes Mast znrück, und giebt man zu, daß selbst sür die nächste Znknnft weder von französischer noch von russischer Seite Schritte zu erwarten sind, die als Herausforderungen zn betrachten wären, so läßt sich doch nicht verkennen, daß solche Schritte möglich sind, und daß die Thatsache, daß drei russische Kriegsschiffe fortan dauernd im Mittelmeer sein werden, für die Stellung Frankreichs eine Stärkung bedeutet und die Möglichkeit näher rückt, daß Rußland in französische Abenteuer mit hineingezogen wird. Die drei russischen .Kriegsschiffe hätten allein nicht viel zu bedeuten, wenn nicht noch zwei andre Dinge von großer Wichtigkeit mitspielten. Einmal der neu erstehende Kriegshafen von Biserta, zweitens die russische Flotte im Schwarzen Meere.
Der Hafen von Biserta, an dessen Ausbau die Frcmzoseu mit rastlosem Eifer und unter Anwendung ungeheurer Mittel arbeiten, liegt an der Stätte des alten Karthago und wird, sobald er einmal ganz vollendet ist, eben so sehr eine Drvhnng für das heutige Italien sein, wie Karthago eine Drohung für Rom war. Toulon nnd Biserta bedeuten für die Engländer in Malta wie für die Italiener eine strategische Zwickmühle, deren Wirkung fast untrüglich erscheint, sobald man sich von einem dritten Punkte aus eine russische Mittelmcerflotte als mit ins Spiel eingreifend denkt. Wir denken dabei nicht nur au die drei Panzerschiffe, die heute im Hafen von Toulon liegen, sondern vor allen Dingen an die russische Flotte, die heute uoch im Schwarze» Meer als in eiuem wäre ol-msum eingeschlossen ist.
Bekanntlich kam es auf dem Berliner Kongreß in seiner achtzehnten und neunzehnten Sitzung zum Austausch einander entgegengesetzter Erklärungen zwischen Lord Salisbury und dem Grafen Schuwalow in Betreff der Frage, ob es Recht oder Pflicht des Sultnus sei, die Meerenge» geschlossen zu halten. England vertrat die erstere, Rußlcmd die letztere Ausicht, uud beide gäbe» ihre Auslegung zu Protokoll; eine Verständigung ließ sich nicht herbeiführen. Der Gruud aber, weshalb Rustland dem Snlta» «icht das Recht eingeräumt wissen wollte, nach eignem Ermessen die Meerengen zu offnen oder zu schliche», liegt klar zu Tage, sobald mau bedeukt, daß die Türkei aus eigner Kraft nicht imstande ist, Konstantmvpel vor einem russische« Handstreiche zu sichern. Darf der Snltcm, sobald es ihm behagt, der englischen Flotte den Zutritt durch die Dardanellen nnd den Bosporus freigebe,,,'so hat er einen Rückhalt, der den Russen, wenn sie nicht durch Nberrasch»»g wirken, jeden Erfolg unmöglich macht.
Nun kcmu es gar «icht zweifelhaft erscheinen, daß Rustlaud seiuer im Schwarzen Meer stehenden Flotte den Weg ins Mittelmeer zu öffnen entschlossen ist. Es ist bekannt, dnst im Hafen von Odessa die Transportschiffe, die einer Landung dienen sollen, jederzeit bereit liegen. Es ist außerdem bekannt, daß gerade die Flotte im Schwarzen Meer den tüchtigsten Bestandteil der russischen Flotte bildet, und ebenso bekannt, daß schon heute mit dem Opfer von einem oder zwei Fahrzeugen